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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
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riechen müssen, wissen müssen. Schwammheimer begleitet ihn seit den Tagen des Waldsterbens und der Anti-Atomkraftsonne wie Mephisto den Faust, und Fokko hat den Eindruck, noch immer ist dieser gefallene Engel in seiner Nähe gewesen, wenn es für ihn um etwas ging.
    »Moin Schwamm!«
    »Setz dich zu mir und laß uns eine kleine Partie spielen.«
    Fokko nickt und schüttelt den Kopf, nimmt den Kaffee und setzt sich zu Schwammheimer an den Tisch. Der holt wie ein Hausarzt die Patientenakte von irgendwoher seine Kladde vor und schlägt sie vor sich auf. Fokko benötigt nicht mehr als einen flüchtigen Blick, um Schwammheimers Schrift vor dem inneren Auge zu sehen, denn ein jeder, der je die Ehre hatte, an diesem Altar Platz nehmen zu dürfen, kennt das kalligraphische Bild, ohne einen Satz entziffert zu haben, denn des Schriftstellers Schriftzug ist für niemanden lesbar, aber wahnsinnig ästhetisch. Jeder weiß von der Bedeutung der Notate, sie sind Tagebuch des Cafè Crocodile , Skizzenblock, Anschreibebuch und literarischer Steinbruch für das Werk der nächsten Zukunft, und wer nur ein einziges Mal durch den Windfang tritt, und wenn er nur einen Geldschein wechseln will, darf oder muß damit rechnen, in einem folgenden Roman verewigt zu werden.
    Die ersten Werke lagen in kleinster Auflage fotokopiert vor und wurden gelegentlich an den »inneren Kreis« verschenkt. Im Zeitalter nach der Stunde der Vorsehung, die er in der Quizshow verbracht hatte, gibt es Schwammheimers Romane als edelste Hardcover. Im Crocodile liegen Leseexemplare aus, die man vom Dichter persönlich ausleihen darf, allerdings unter der rigorosen Bedingung, sich jeglichen Kommentars zu enthalten, weder ein Nicken noch ein Stirnrunzeln sind gestattet, und wer ein Exemplar kaufen will, muß ohne ein Wort des Verhandelns einen Betrag auf einer Quittung notieren, eben in der Höhe des Wertes, den er dem Buch beimißt. So bekommt er ein signiertes Exemplar oder die Quittung zurück.
    Er hat Angst, sagt Eva, fürchtet sich vor dem kleinsten kritischen Wort.
    Er hat Stil, sagt Anna dagegen. Er erklärt kein einziges seiner geschriebenen Worte und besitzt eine sympathische Scheu vor Bewunderung.
    Nun zieht er den schwarzen Stift aus der Innentasche des Jacketts und schreibt ein paar Zeilen in das Notizbuch wie Gottvater die guten Taten und die Verfehlungen des Tages in das Goldene Buch. Das dauert die Zeit, die Fokko überlegt, ob die Sünden der jüngsten Vergangenheit läßliche gewesen sein mögen.
    »Und, wie isses?« fragt Schwammheimer.
    Fokko bemerkt nicht seinen Blick zum Carrombrett, schaut über die Schulter nach der Wirtin, die aber noch in der Küche zu stecken scheint.
    »Sie macht, was sie will«, sagt er.
    Schwammheimer schließt das Notizbuch, legt den Stift daneben und schenkt Fokko einen schweren Blick. »Eigentlich«, sagt er dann, »meinte ich eine Partie Carrom.«
    Draußen klopft sich jemand die Schuhe sauber, dann geht die Tür, der Windfang atmet einmal ein, einmal aus, und es steht eine Frau vor der Theke. Ihr Mantel trägt einen Saum aus Schnee, sie streicht sich die Kapuze zurück, ihr wildes Haar springt darunter hervor wie ein Kobold mit einem roten Fell, sie schüttelt den Kopf, und im Kerzenlicht glitzern Tränen, die auf ihren Wangen gefroren sind.
    »Sie macht, was du zuläßt«, stellt Schwammheimer fest und schaut aus dem Fenster.
    Eva spricht mit der Frau. Fokko überlegt, ob es peinlich werden kann, den Gefährten ins Vertrauen zu ziehen. Auch wenn Schwammheimer in der langen gemeinsamen Zeit wohl niemals das gewesen ist, was man einen guten Freund nennt, so könnte es hilfreich sein, ihn ins Vertrauen zu ziehen. Am Ende gründet sich Freundschaft nicht anders.
    »Sie wirft mir merkwürdige Sachen vor.«
    »Zum Beispiel?«
    »Ich lebte in die falsche Richtung.«
    »Wie das?«
    »Rückwärts, rückwärtig…«
    Die Frau hängt ihren Mantel an die Garderobe, taxiert die Männer an Schwammheimers Tisch, stellt sich neben den Kaminofen und reibt sich die Hände. Auf dem unzivilisierten Kontinent ihrer Haare schmilzen funkelnd ein paar Schneeflocken.
    »Hallo«, sagt sie beiläufig, streicht eine widerspenstige Locke beiseite und fährt mit zwei Fingern über ihre Wangen. Sie besitzt nicht diese sportive Schönheit, die Körperlichkeit, die eine unnachgiebige Muskulatur besitzt, stahlblaue, scharfsichtige Augen, den Geruch nach Leder, Schweiß und einem Shampoo aus Gummiarabikum. Sie ist eine vollkommen andere

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