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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
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nicht mehr als fünfzig Meter entfernt den Gegenzug, der auf ihn zurast, ohne nur eine Schwelle weit voranzukommen. Mit einem Satz ist er über die Schienen und die Böschung hinab auf einem Weg und verschwindet in den Wald wie ein Schmuggler, ein Grenzgänger.
    Nachdem er sich eine Weile durch das verschneite Unterholz gekämpft hat, kommt er auf einen Weg. Er weiß nicht so recht, wo er sich befindet, schaut nach dem Stand der Sonne und entscheidet, dem Weg in südöstlicher Richtung zu folgen. Vorher aber nimmt er die Zauberuhr geöffnet aus der Tasche. Die innere Scheibe hat sich vielleicht zwei Millimeter gegen den äußeren Ring verdreht. Schwammheimers Theorie scheint zu stimmen, doch das Foto liegt in seiner Schublade auf dem Zahlenbuch. Es ist ihm egal. Will nichts mehr wissen von seinen sagenhaften Möglichkeiten, von der Macht und der Aura des Zaubers. Er schließt langsam die Uhr. Hinter den Bäumen hört er den Zug rauschen. Es ist wie im Kino, wenn zu Beginn nur stumme Bilder zu sehen sind, und erst einen Moment später springt der Ton dazu.
    Fokko schiebt die Uhr der Skythen mit dem Gestus der Endgültigkeit in die Seitentasche seines Rucksacks, wo das Taschenmesser steckt. Dort kann sie verschimmeln. Er hat das Gefühl, daß er seinem Leben alsbald eine neue Richtung geben wird, aber gewiß nicht wie ein Taschenspieler mit irgendwelchen billigen Tricks.
    Er geht los.
    Aus Jemgum kommt sie, Hauptstadt des Rheiderlandes, das kennt kein Mensch südlich des Küstenkanals. Wie alt mag sie sein? Jünger gewiß als er, aber er wird ihr begegnet sein, jedem ist man begegnet im Laufe der Jahre in den paar Dörfern, aber vielleicht war sie ein kleines Mädchen, das frühmorgens mit dem Ranzen auf dem Rücken an der Ampel von Jemgum stand und nicht ahnen konnte, daß sie ihm ein Vierteljahrhundert später im Hauptbahnhof von Osnabrück in die Arme fallen würde. Er weiß nichts von ihr, nichts von sich, hätte ohne Probleme in ihrem Rucksack spionieren und mehr von ihr erfahren können, Alter, Adresse, Arbeit, vielleicht etwas über ihre Vorlieben und ob sie liiert ist, es wäre ein leichtes Spiel gewesen, jedoch eines nach der Methode Schwammheimer, alles ergaunert und unecht: wie die Romane, die er sich ausdenkt. Fokko freilich wird ohnehin alles erfahren.
    An einem Wegekreuz öffnet sich der Wald, und auf einem Acker tanzen ein paar Krähen im dunstigen Gegenlicht. Ein scheuer Wind stäubt eine Schneewolke aus den Wipfeln. Er nimmt den Weg am Waldesrand, auf die Sonne zu. Stundenlang könnte er nun durch die Winterlandschaft laufen, die Bewegung jagt den Müll der vergangenen zwei Tage aus dem Kopf, die Gedanken werden ihm klar wie die eiskalte Luft, und mit eins weiß er: er wird fortgehen.
    Am südlichen Ende des Feldes stößt er auf einen Hauptweg, bleibt stehen und sieht sich um. Dieser Punkt kommt ihm bekannt vor. Es ist das Phänomen der Tortenstücke. Man kann seine topographische Orientierung kaum ganzheitlich vernetzen, man besitzt bloß Teilkarten im Kopf, an deren Rändern sich manchmal etwas verknüpft, und unversehens ist man von dem einen in das benachbarten Tortenstück geraten und begreift für diesen Augenblick das Ganze.
    Wenn er nach links geht, wird er ein paar Minuten später an das Gut Leye kommen, biegt er aber rechts ab und nach wenigen Schritten wieder links, gelangt er in die Siedlung, in der Evas Eltern wohnen. Ein halbes Dutzend mal war er vielleicht in dem weißen Bungalow des Herrn Doktor und seiner sympathischen Gehilfin. Sie ist nicht für dich bestimmt, hat der Dichter gesprochen, sie ist ein anderer Entwurf. Schwammheimer hat Recht. Ich habe jetzt andere Möglichkeiten. Er geht nach links.
    Als Halbwüchsiger ist er mit dem Fahrrad zur Schule gefahren, um das Busgeld zu sparen. Hatte bei jedem Wetter Meister Fox an der Seite, sie waren bei gutem Wind keine halbe Stunde unterwegs, mittags aber häufig eine ganze verfluchte Stunde Fronarbeit gegen den unausgeglichenen Nordwest. Haben regelmäßig im Windschatten der schiefen Kirche von Critzum Pause gemacht, an die Kopfweiden gelehnt, in die schwache Sonne geblinzelt und über die Zukunft schwadroniert, die damals weiter weg war als Amerika auf der anderen Seite des Dollart. Trotzdem wußte Fox seinerzeit genau, was in seinem Leben geschehen würde, es war fraglos aufgeschrieben auf einem der Zettel, die bei ihm zu Hause in einer Ecke der Scheibe des Küchenschranks steckten.
    Die meiste Zeit haben sie mit verwegenen Reden

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