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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
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getan, und die Frau, die sie bedient hat, war die, die sich am Ofen in Schwammheimers Altarraum aufgewärmt hat, dort beinahe in die verbalen Fänge des Dichters geraten wäre und sich am Ende mit Hilfe der heißen Schokolade in den Gastraum gerettet hat.
    Eva ist zurück.
    »Was kann ich für euch tun?« fragt sie.
    »Das Übliche«, sagt Schwammheimer.
    »Ich bin einverstanden«, sagt Fokko und entfernt des Dichters Arm von seiner Schulter als wäre er eine handzahme Schlange, ein Gekko oder sonst ein klebriges Vieh. In diesem Moment wird ihm klar, wer sie war, die junge Frau mit den widerspenstigen Haaren und den kunterbunten Wollkleidern, es war sie, niemand anderes als Merreth Winterboer aus Jemgum. Und er erinnert sich nicht nur an die schmelzenden Schneeflocken, auch an die eingefrorenen Tränen auf ihren Wangen, an die unselige Geschichte von unbeschriebenen Jahrestagen, und daß sich etwas unweigerlich fortschreibt, eingräbt. Er will so schnell wie möglich hier weg.
    »Womit einverstanden?« fragt Eva.
    Schwammheimers Wasser und Aquavit stehen schon auf dem Tresen.
    »Daß wir uns trennen.«
    Sie zeigt dieses sportliche Lächeln.
    »Und was willst du trinken?«
    »Eine heiße Schokolade.«
    Eva zieht die Stirn in Falten und lächelt weiter. Schwammheimer betrachtet mit Hingabe die Kaffeemaschine, die Eva nun abermals in Gang setzt, folgt mit einem interessierten Blick der ewigalten Zeremonie ihrer Handfertigkeiten, als sähe er zum allerersten Mal, wie sie die Maschine bedient, die Untertasse zurechtstellt, eine Papiermanschette drauflegt, den Löffel, den obligaten Keks. Und Fokko kann derweil nicht glauben, welch ein Zufall, welch ein erstaunlich deutlicher Hinweis des Schicksals das ist. Er wird niemandem davon erzählen, dem unwiderleglichen Weltenerklärer an seiner Seite sowieso nicht, aber ebenso wenig der Frau, von der er vor zwei Tagen noch geglaubt hat, sie sei wirklich an seiner Seite.
    Was hat Schwammheimer noch über sie gesagt?
    Daß man nichts über sie wissen kann, auch wenn man ihre Tränen hat tauen sehen, daß man stets nichts anderes empfange als verschlüsselte Informationen aus fernen Galaxien, eine babylonische Grammatikverwirrung oder dergleichen. Der große Dichter besitzt nicht die Spur einer Ahnung, behauptet, alles entspränge lediglich der eigenen Phantasie, aber Fokko hat den Kummer erlebt, spürt das Mitgefühl jetzt intensiver als noch gestern. Zum Glück weiß Schwammheimer nichts von dem, was im Goldenen Buch geschrieben steht seit dem Tag, an dem er am Ende der Welt das Licht derselben erblickt hat. Nichts von Merreth Winterboer. Dort drüben hat sie gesessen und heiße Schokolade getrunken und Fokko hat sie nicht wahrgenommen. Das Schicksal hat sich nur vergewissert, am Abend zuvor.
    Niemand kann so mühelos schweigen wie Eva. Steht an ihren Genußmittelladen gelehnt, die alte Glasvitrine, die der Drogeriebesitzer als Giftschrank benutzt hatte, in dem nun Süßes und Salziges, Tabakwaren und Kondome feilgeboten werden, bietet den Männern einen ungenierten Blick aus ihren Augen, in die jemand vor ewigen Zeiten zwei Stahlnägel gedrückt hat, die Laser sind ausgeschaltet, und sie horcht offenbar auf nichts anderes als auf die kryptischen Proklamationen der Kaffeemaschine. Nie und nimmer wird sie diese unerträgliche Selbstsicherheit verlieren, nicht einmal, so stellt Fokko sich vor, wenn sie in frühester Morgenstunde von einem verheerenden Feuer aus dem Schlaf gerissen und an der Hand eines weißhäutigen Liebhabers splitternackt aus dem Haus gejagt würde, auf dem gefrierenden Löschwasser in ein lächerliches Straucheln und schließlich zu Fall käme, auf allen Vieren mit famos erhobenem Hinterteil einen merkwürdig devoten Dank für ihre Rettung abzustatten schiene, was der neurotische Nachbarhund, der bereits eine Weile wild fiepend umherrennt, als artgerechtes Gebaren mißverstünde und sie vor den Augen der Schaulustigen, die für einen langen Moment den lodernen Flammen aus der ersten Etage ihre Aufmerksamkeit entziehen, hinterrücks bespränge.
    Er schaut zu ihr hin. Sie lächelt ihn an, ebenso, wie sie es bei der Eröffnungsfeier in Dicks Tankstelle getan hat, er geniert sich für seine schamlose Phantasie, aber er weiß auch, daß sie in der Lage ist, ein solches Lächeln abzurufen wie jede barmherzige Bardame.
    »Du mußt nicht länger Versteck spielen«, sagt er.
    »Wie meinst du das?« fragt sie.
    »Du mußt dem Siegelring mit den krummen Füßen nicht

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