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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
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besitzt offenbar mehr als eine Dimension, der Freimut, der in ihren Augen glänzt, kaschiert etwas, doch Fokko will den Rätseln der Sphinx nicht näher nachspüren und schaut zu Schwammheimer hinüber. Der hat den krummen Rücken bereits ein wenig gestreckt, den Kopf schräggestellt und schaut zu ihm her.
    »Nein«, sagt Fokko und schiebt den Rest des Kekses in den Mund. Es kommt ihm vor, als habe er just ein neues Wort erlernt, ein schlichte, magische Formel, mit der er Evas stählernen Stolz gewiß nicht erschüttern wird, aber offensichtlich sich selbst ein Gefühl erzeugen kann, das ihm neu ist.
    »Was hast du vor?« fragt sie, als habe sie das Wort nicht wahrgenommen.
    »Die Schokolade trinken«, antwortet er und setzt die Tasse vorsichtig an die Lippen. Für diesen Augenblick steht die Zeit wieder mal still, und das Universum wartet darauf, daß Fokko van Steen seinen ersten Schluck genommen hat.
    »Ich gehe zurück«, sagt er dann.
    »Wohin zurück?«
    »Ins Rheiderland.«
    »Wie bitte?«
    Eva greift wieder nach diesem unentbehrlichen Lappen, mit dem sie nicht nur die Flecken von der Theke wischt, anscheinend auch alles Unliebsame, was ihr unter die schöne Haut will, im Moment wohl den Einfall, er könnte ihre Kündigung der Beziehung zu der seinen machen, und Fokko sucht nach plausiblen Motiven und findet nichts als eine Erklärung, die ihm, da er sie ausspricht, vollkommen lächerlich vorkommt.
    »Es ist die Stadt«, sagt er und greift nach der Tasse, »ich bin ihr nicht gewachsen, dieser Moloch, diese Unruhe, diese Reizüberflutung, das frißt mich auf, ich komme nicht mehr zu mir selbst. Was mir fehlt, ist Einfachheit, Stille und…«
    »Osnabrück?« fragt sie. Ihre Stimme besitzt eine rauhe Färbung. »Du meinst den Moloch Osnabrück?«
    Schwammheimer schaut her.
    »Ja, ich will zurück.«
    »Nach Ditzum.«
    »Am liebsten nach Pogum.«
    »Zu deiner merkwürdigen Verwandtschaft…?«
    »Ja, nein.«
    »Du hast einen Knall!«
    Sie pfeffert den Lappen in eine Ecke. Ihr Lächeln besitzt nun doch eine ratlose Nuance, immerhin ist sie mal mit ihm dort oben gewesen im Rheiderland, das Land flacher als eine Scholle, die Menschen gesprächig wie ein Blumenbeet und alles so einfach und still wie auf der Rückseite des Mondes. Er hatte ihr das Haus gezeigt, in dem er geboren worden ist, eine windschiefe Kate aus dem tiefsten Mittelalter, es regnete den ganzen Tag kleine Fische, jedenfalls hatte es so gerochen, und als sie am Abend im Bus gesessen und sich die Gegend ein letztes Mal angeschaut hatte, wurde ihr klar, wie sehr eine Landschaft in der Lage ist, den Charakter eines Menschen zu prägen.
    »Was willst du da oben?« fragt sie und putzt einen imaginären Fleck von ihrem Poloshirt. »Angeln?«
    »Nicht so direkt. Ich hab da noch einen Freund.«
    »Den Kapitän.«
    »Ja, Fox.«
    Eva erinnert sich an einen schlaksigen, sprachunfähigen Mann, der sein Leben lang mit einem rostigen Schiff von der einen Seite der Ems auf die andere kreuzt und nebenher Bilder malt, die kein Mensch kaufen will.
    »Und wovon willst du leben?«
    »Das wird sich ergeben.«
    Ein kalter Hauch teilt den Windfang, und Kalle rutscht auf seinen Cowboystiefeln an die Theke, einer der ernsthaftesten Figuranten des Theatre Crocodile , ein Mann der ersten Stunde wie jeder letzten, untersetzt, mit einer knallroten Kugelbirne, kürzestgeschorenen Haaren, immer in schwarzen Lederklamotten und mit allerlei Silberzeugs behängt, schaut in die Runde, macht Eva mit einem schiefen Grinsen ein vertrautes Zeichen, stellt sich an Fokkos Seite, klopft ihm stumm auf die Schulter und dreht sich sogleich mit dem Rücken zur Theke, als erwarte er jemanden aus dem Windfang, der ihm auf den Fersen ist. Dann sieht er Schwammheimer, erhebt seine durchdringende, ungeölte Stimme, die nie für ein einziges Gegenüber allein bestimmt ist, des Flüsterns unfähig, deklamatorisch, wie es sich für die Bühne des Crocodile gehört, er hält den Kopf schräg, damit nicht nur Jacobus Spongiae, wie er ihn anspricht, sondern auch Eva, Fokko und möglichst die Kartenspieler seinen Worten nicht entkommen, der große Dichter sitze ja nun da, wohin er gehöre, der Altmeister des gedrechselten Wortes wie noch immer und stets fleißig über seine Notate gebeugt und besitze nicht den blassesten Schimmer, was er, Kalle Wilsum, über Jakob Schwamm in einem vollkommen seriösen Lexikon entdeckt habe: nämlich eine detaillierte Beschreibung der Familie, des Charakters und gar der

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