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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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erwartet hatte – das, was sie gesagt und getan hatte, war genauso sinnlos gewesen, wie glühend heißen Wüstenboden mit Wasser zu besprengen. Masako starrte auf ihre gerötete rechte Handfläche und wandte sich dann zu Yoshiki um. Doch der saß nach wie vor reglos da, die Augen auf die Zeitung geheftet, als existierte Nobuki gar nicht.
    »Lass ihn in Ruhe. Es hat keinen Zweck.«
    Yoshiki schien beschlossen zu haben, Nobuki zu ignorieren, bis er wieder zur Besinnung gekommen war. Bei seinem übertriebenen Verlangen nach Vernunft konnte ihn ein unreifer Mensch derart irritieren, dass er Härte und Strenge an den Tag legte. Und Nobuki hatte seinem Vater nie verziehen, dass er ihm damals bei dem Vorfall in der Oberschule jede Unterstützung versagt hatte. Sie alle drei lebten aneinander vorbei, und man konnte sich fragen, weshalb sie überhaupt noch unter einem Dach wohnten.
    Wie die beiden wohl reagieren würden, wenn sie ihnen mitteilte, dass im Kofferraum ihres Wagens eine Leiche lag? Ob Nobuki sich endlich zu einem Ausruf des Erstaunens hinreißen ließe? Ob bei Yoshiki doch noch die Gefühle durchbrächen und er ihr eine knallen würde? Unsinn, wahrscheinlich würden beide ihr nicht einmal glauben. Und plötzlich bekam Masako das untrügliche
Gefühl, sie selbst sei diejenige, die sich am meisten von ihrer Familie entfernt, die sich auf den weitesten Weg von allen gemacht hatte. Aber sie empfand deshalb weder Trauer noch Einsamkeit.
    Als ihr Mann und ihr Sohn schließlich zur Tür hinaushetzten, um zur Arbeit zu gehen, wurde es wieder still im Haus. Masako trank ihren Kaffee aus und legte sich im Wohnzimmer aufs Sofa, um vielleicht noch ein Nickerchen zu machen.
     
    Sie hatte kein Auge zugetan, da läutete es an der Tür.
    »Ich bin’s«, hörte sie Yoshië zögerlich sagen.
    Halb hatte sie damit gerechnet, dass sie nicht kommen würde, aber Yoshië war eine ehrliche Haut. Masako öffnete ihr die Tür. Sie trug dieselben schäbigen Sachen wie am Morgen – die an den Knien ausgebeulte Jersey-Hose und das verwaschene pinkfarbene T-Shirt – und spähte mit furchtsamen Augen ins Haus hinein.
    »Nicht hier. Da, im Kofferraum!« Als Masako auf das Auto deutete, das direkt neben der Haustür stand, wich Yoshië erschrocken davor zurück.
    »Nein, ich kann das einfach nicht, beim besten Willen nicht. Ich möchte ablehnen, bitte, lass mich doch gehen!«, sagte Yoshië, trat in den Eingang und fiel plötzlich vor ihr auf die Knie.
    Masako starrte auf die herausgewachsene Dauerwelle der sich wie eine Kröte vor ihr auf dem Boden duckenden Yoshië. Sie war nicht sonderlich überrascht, denn sie hatte mit etwas in der Art gerechnet.
    »Läufst du zur Polizei, wenn ich dir sage, dass das nicht geht?«
    Auf Masakos Worte hin hob Yoshië den Kopf. Ihr Gesicht war leichenblass. »Nein. Das tue ich nicht«, sagte sie und schüttelte den Kopf.
    »Aber das Geld kannst du mir auch nicht zurückgeben, stimmt’s? Ich meine, was soll das: Obwohl ich deiner Tochter zu ihrer Klassenfahrt verholfen habe, schlägst du es mir ab, wenn ich dich ein einziges Mal um etwas bitte!«
    »Ja, aber... Es ist ja auch keine gewöhnliche Bitte! Du verlangst von mir, dass ich bei einem Mord mithelfe!«
    »Es ist mein einziger Wunsch, verdammt noch mal!«
    »Es ist Mord!«

    »Ach, alles andere wäre also okay, ja? Diebstahl oder Raub zum Beispiel? Wo ist denn da der große Unterschied?!«
    Masako verfiel ins Brüten, und Yoshië warf ihr einen verblüfften, empörten Blick zu. Dann lachte sie leise auf: »Das ist natürlich ein himmelweiter Unterschied, das weiß doch jeder!«
    »Wieso? Wer sagt das?«
    »Das sagt niemand, das ist einfach so in unserer Gesellschaft!«
    Masako schaute Yoshië schweigend an. Yoshië blickte zu Boden und fuhr sich mehrmals mit beiden Händen durch das widerborstige Haar. Das machte sie immer, wenn sie nicht mehr weiterwusste, Masako kannte diese Angewohnheit. »Okay, schon gut, verstehe. Aber hilf mir wenigstens, ihn hereinzutragen. Alleine schaffe ich es nicht bis ins Bad!«
    »Ich muss aber gleich wieder nach Hause, die Schwiegermutter wird wach!«
    »Es dauert nicht lange.«
    Masako schlüpfte in Yoshikis Sandalen und trat nach draußen. Es regnete noch; Fußgänger waren daher kaum unterwegs. Außerdem schienen die Arbeiten an der Baustelle direkt gegenüber gerade zu ruhen, man sah nur die Haufen ausgehobenen roten Lehms. Die Nachbarhäuser grenzten zu beiden Seiten dicht an, doch Masakos Haustür lag im toten

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