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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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Winkel, so dass der Eingangsbereich von dort nicht einzusehen war.
    Die Faust mit dem Autoschlüssel in der Hosentasche, ließ Masako ihre Augen rasch über die Umgebung gleiten. Auf der Straße war gerade niemand zu sehen – jetzt oder nie. Doch Yoshië war im Eingang stehen geblieben. Ungehalten zischte Masako ihr zu: »Was ist jetzt, hilfst du mir nun oder nicht!«
    »Aber nur beim Tragen, hörst du?«, sagte Yoshië und kam widerwillig zum Vorschein.
    Masako hob die stabile Freizeitdecke aus blauem Plastik auf, die sie vor der Haustür schon bereitgelegt hatte. Yoshië blieb immer noch unschlüssig unter dem Vordach stehen. Masako lief zum Wagenheck und schloss den Kofferraum auf.
    »Oh!« Sie hörte, wie Yoshië hinter ihr schluckte und den Atem anhielt. Sie hatte ihr über die Schulter geschaut, direkt in Kenjis nach wie vor schlaffes, totes Gesicht mit den halb offen stehenden Augen hinein. Speichel, der ihm im Mund gestanden haben
musste, war ihm in einem dünnen Rinnsal über die Wange gelaufen und angetrocknet. Seine Glieder waren starr, die Knie leicht gebeugt, beide Arme in die Luft gestreckt, die Finger gekrümmt, so als wolle er nach irgendetwas greifen. An seinem unnatürlich lang gezogenen Hals sah man deutlich die frischen, roten Striemen der Würgemale. Sie erinnerten Masako daran, wie Yayoi in der vergangenen Nacht ihren Gürtel von Kenjis Hals gezogen und sich wieder um die Taille gebunden hatte. Hinter ihr murmelte Yoshië irgendetwas vor sich hin.
    »Was hast du gesagt?«, fragte Masako und drehte sich zu ihr um.Yoshië hatte die Hände vor der Brust gefaltet, hob die Stimme ein wenig und wiederholte immer wieder: » Namu Amidabutsu, Namu Amidabutsu...« Sie betete zu Buddha. Masako tippte ihr an die gefalteten Hände: »Lass das, das fällt doch auf! Hilf mir lieber, ihn schnell ins Haus zu schaffen!«
    Ohne sich weiter um Yoshiës finstere Miene zu kümmern, schlug sie Kenji sorgfältig die Freizeitdecke um und packte das Bündel oben an, wo Arme und Kopf hervorragten. Mach schon, schnell!, bedeutete sie Yoshië mit den Augen. Die fasste widerwillig unten bei den Füßen an und zog. Sich leise Anweisungen zurufend, hoben sie Kenji gemeinsam aus dem Kofferraum. Die Leiche ließ sich jetzt leichter tragen, da sie steif geworden war, trotzdem brachte ihr Gewicht und ihre Unförmigkeit die beiden Frauen unversehens ins Taumeln. Doch bis zur Haustür waren es nur ein paar Meter, und bald hatten sie es irgendwie über die Schwelle geschafft.
    Außer Atem rief Masako: »Bis ins Bad, Meisterin!«, und Yoshië schleuderte ihre Leinenschuhe, die wie Kinderpantoffeln aussahen, im Eingang ab und stieg die Stufe zum Wohnbereich hoch. »Wo ist denn dein Bad?!«
    »Da, ganz hinten!«
    Nachdem sie im Flur mehrmals hatten Pause machen und ihre Last absetzen müssen, schafften es die beiden Frauen endlich, Kenji in den Vorraum zum Bad zu tragen. Masako zog die Freizeitdecke von der Leiche ab und legte den Fliesenboden im Bad damit aus, denn sie wollte vermeiden, dass sich Fleischstückchen in den Fugen festsetzten.
    »Komm, wir legen ihn hier drauf!«

    Yoshië nickte brav, als hätte sie ihren Widerstand schon aufgegeben. Noch einmal hoben sie ihn gemeinsam an, und wie Masako gedacht hatte, passte Kenji in Seitenlage, so, wie er auch im Kofferraum gelegen hatte, genau auf die Diagonale des rechteckigen Waschplatzes.
    »Der Arme, er tut mir richtig Leid! Dass er so enden musste! Er hat sicher nicht im Traum daran gedacht, von seiner eigenen Frau umgebracht zu werden, was meinst du? Hoffentlich findet seine Seele Ruhe und kann ins Nirwana eingehen, ohne als Geist umherirren zu müssen!«
    »Tja, wer weiß?«
    »Du bist doch wirklich herzlos«, sagte Yoshië vorwurfsvoll, und ihre Stimme klang schon wieder etwas ruhiger.
    Sofort nutzte Masako die Gelegenheit für eine weitere Bitte: »Ich hole eine Schere, um seine Kleider zu zerschneiden. Hilf mir doch noch, ihn nackt auszuziehen, ja?«
    »Wieso – und dann?«
    »Dann werde ich ihn in kleine Stücke zerteilen und wegwerfen.«
    Yoshië stieß einen langen Seufzer aus, doch ihr Tonfall klang gefasst. »Ich glaube, er hat etwas in seiner Hosentasche.«
    »Ja. Sein Portemonnaie oder die Monatskarte vielleicht, sieh doch inzwischen nach!«
    Als Masako mit ihrer großen Zuschneideschere in der Hand aus dem Schlafzimmer zurückkam, hatte Yoshië alles, was sie in Kenjis Taschen gefunden hatte, auf der Stufe zum Bad aufgereiht: ein an den Ecken abgewetztes schwarzes

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