Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
Vom Netzwerk:
behaarte Schienbein. Die Stelle, die Yayoi gestern Nacht berührt hatte, als sie sagte, er sei noch warm. Die Farbe der Haut war aschfahl, und die Beinhaare wirkten schmutzig wie trockene Flusen. »Es ist ein Ding, nichts weiter als ein Ding«, murmelte Masako und machte den Kofferraum zu.

ZWEITES KAPITEL

    Im Bad

1
    Masako stand in der Tür zum Bad 5 und lauschte dem Regen jenseits des Fensters.
    Nobuki hatte offenbar als Letzter gebadet und aufgeräumt: Das Wasser war abgelassen worden, und die Plastikdeckel lagen ordentlich gestapelt auf dem Wannenrand. Obwohl Wand- und Bodenfliesen bereits vollständig trocken waren, hing noch der Geruch sauberen, warmen Wassers in der Luft. Der ruhige, friedliche Geruch familiärer Häuslichkeit. Masako gab dem plötzlichen Impuls nach, das Fenster aufzureißen, um die schwüle Außenluft hereinzulassen.
    Dieses kleine Haus hatte ihr schon so manches abverlangt: Es wollte von oben bis unten sauber gehalten werden, der Gestank nach Zigarettenrauch musste vertrieben, das Unkraut in dem winzigen Garten gejätet werden, und nicht zuletzt mussten die beträchtlichen Schulden zurückgezahlt werden. Trotzdem hatte Masako es nie als ihr Zuhause betrachten können. Warum fühlte sie sich immer noch fremd, als Untermieter, warum kam sie hier einfach nicht zur Ruhe?
    Als sie mit Kenjis Leiche im Kofferraum vom Fabrikparkplatz losgefahren war, hatte ihr Entschluss längst festgestanden. Wie zum Beweis war sie, kaum zu Hause angekommen, unverzüglich
ins Bad gegangen, um in allen Einzelheiten zu überlegen, wie sie Kenji dort hinlegen und dann weiter vorgehen konnte. Ihr eigenes Verhalten kam ihr vollkommen irrational vor, und gleichzeitig stellte diese Situation eine Herausforderung dar, die zu meistern ihr gelingen wollte.
    Masako stieg mit nackten Füßen die kleine Stufe auf den gefliesten Boden des Waschplatzes hinab und legte sich probeweise auf den Rücken. Kenji hatte in etwa ihre Größe. Wenn man ihn diagonal hinlegte, würde er problemlos hineinpassen. Wie gut, dass das Bad auf Yoshikis Wunsch hin beim Bau des Hauses so großzügig veranschlagt worden war, dachte sie zynisch.
    Die Kühle der trockenen Fliesen im Rücken, sah Masako zum Fenster auf. Der Himmel war grau verhangen und besaß keine Tiefe. Ihr fiel die regennasse Gestalt von Kazuo Miyamori wieder ein. Sie krempelte den Ärmel ihres Polohemds hoch und besah sich den blauen Fleck am linken Oberarm. Zweifellos der Abdruck von Kazuos dickem Daumen. Nie hatte ein Mann sie so hart angefasst, dass ein Mal auf ihrer Haut zurückgeblieben war.
    »He, was treibst du denn da?«, hörte sie plötzlich eine Stimme aus dem Halbdunkel sagen; Masako setzte sich auf. Im Vorraum zum Bad stand Yoshiki im Pyjama und schaute fragend auf sie herab.
    »Was machst du denn da bloß?«, wiederholte er. Hastig stand Masako auf, rollte den Ärmel ihres Polohemds herunter und blickte Yoshiki dabei ins Gesicht. Er war offenbar gerade erst aufgestanden, die strohigen Haare standen ihm zu Berge, er hatte seine Brille noch nicht aufgesetzt und blinzelte sie voller Unbehagen an. Seine Augen, zu Schlitzen verengt, damit er schärfer sehen konnte, ähnelten denen Nobukis sehr.
    »Nichts. Ich überlege nur, ob ich kurz unter die Dusche soll.«
    Die schlechte Lüge schien ihn nicht zu überzeugen, misstrauisch sah er aus dem Fenster. »Heute ist es doch gar nicht so heiß. Es regnet.«
    »Ja, aber bei der Arbeit in der Fabrik bin ich ins Schwitzen gekommen.«
    »Aha. Ist ja auch egal. Einen Moment lang dachte ich schon, du hättest den Verstand verloren.«

    »Wieso?«
    »Na ja, erst bleibst du völlig abwesend hier im Dunkeln stehen, dass ich mich frage, was es da zu sehen gibt, und dann wirfst du dich plötzlich auf den Boden – da soll man keinen Schreck kriegen!«
    Masako fand es unverschämt, dass Yoshiki sie hinter ihrem Rücken beobachtet hatte, ohne etwas zu sagen. In letzter Zeit kam es immer häufiger vor, dass er sie und Nobuki aus dieser ganz bestimmten Distanz heraus betrachtete, die er sich mit seiner Festung aus Luft schuf. »Du hättest mich ruhig ansprechen können!«
    Statt zu antworten, zuckte Yoshiki mit den Achseln. Masako trat aus dem Bad und schlüpfte durch den engen Spalt zwischen Yoshiki und der Waschmaschine, ohne eines von beiden zu berühren.
    »Du willst doch sicher frühstücken, oder?« Sie bekam keine Antwort, ging aber in die Küche und schüttete Kaffeebohnen in die Kaffeemaschine mit integrierter Mühle, die einen

Weitere Kostenlose Bücher