Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
ausgeschaltet war, um Strom zu sparen. »Da ist ja eine! Warum machst du sie denn nicht an? Wie du das bloß aushältst!«
Nicht auszudenken, wenn man sie draußen reden hörte! Yayoi stürzte hinter ihr her, schaltete die Klimaanlage ein und schloss hastig alle Fenster. Kuniko baute sich im kühlen Wind des Ventilators auf und sah amüsiert zu, wie Yayoi hektisch herumlief. Auf ihrer Stirn glänzten dicke Schweißperlen, die ihr nach und nach die Schläfen herunterrannen.
»Sag endlich, warum du gekommen bist«, bat Yayoi noch einmal, ohne ihre Unruhe verbergen zu können.
Kuniko machte aus ihrer Verachtung keinen Hehl: »Ich muss schon sagen, Yamamoto-san, du hast mich ganz schön überrascht! Macht so ein niedliches, unschuldiges Gesicht und bringt kaltblütig ihren Mann um die Ecke! Ich bin entsetzt, wirklich! Tja ja, der Schein trügt, man kann eben nicht hineinschauen in die Menschen. Aber dass du den Vater deiner Kinder umbringen konntest! Alle Achtung! Was wirst du denn machen, wenn die Kleinen erst groß sind und erfahren, dass die eigene Mutter die Mörderin ihres Vaters ist? Hast du darüber überhaupt schon nachgedacht?«
»Hör auf! Ich will nichts davon hören!«
Yayoi hielt sich die Ohren zu. Da packte Kuniko sie am linken Handgelenk. Ihre verschwitzte Haut fühlte sich unangenehm klebrig an, und Yayoi wand sich in dem verzweifelten Versuch, ihrem Griff zu entkommen, aber es half nichts, Kuniko war einfach stärker.
»Es ist mir egal, ob du das hören willst oder nicht, Yamamoto-san! Man hat mich gezwungen, die Fleischstücke deines Gatten mit diesen beiden Händen anzufassen und in Mülltüten zu füllen. Kannst du dir vorstellen, was für ein grässliches, ekelhaftes Gefühl das ist? He, kannst du dir das vorstellen? Antworte gefälligst!«
»… ja.«
»Nein, gar nichts kannst du dir vorstellen!« Kuniko griff nun auch nach ihrem anderen Handgelenk. Yayoi stieß einen Schmerzensschrei aus. »Lass mich!«, rief sie, aber Kuniko ließ nicht locker.
»Die beiden haben ihn zerstückelt, hörst du, in kleine Teile geschnitten! Du hast ja keine Ahnung, was für eine Schweinerei das ist! Du warst dir doch sicher noch zu fein dazu, einen Blick auf die Leiche zu werfen, nachdem du deinen Mann abgemurkst hast,
stimmt’s! Ich dagegen hab wie oft kotzen müssen! So widerlich war das, und dann der Gestank! Wirklich, es war das Schlimmste, was ich je erlebt habe. Danach ist man nicht mehr dieselbe, das kannst du mir glauben, das verändert einen fürs Leben!«
»Ich bitte dich, hör auf, bitte!«
»Ach, du kannst betteln und wimmern, so lange du willst, ich muss das einfach mal loswerden! War ich etwa verpflichtet, so etwas für dich zu tun?!«
»Entschuldige, verzeih mir, bitte!« Yayoi krümmte sich wie ein kleines Tier und fiel auf die Knie.
Kuniko ließ sie jäh los und lachte gehässig. »Schon gut, was soll’s, dazu bin ich schließlich nicht hier. Ich hab gehört, du willst der Meisterin und mir Geld dafür zahlen – stimmt das?«
»Ja, ich bezahle euch, ganz bestimmt!« Ob sie deswegen gekommen war? Im Glauben, Kunikos Absicht durchschaut zu haben, ließ Yayoi erleichtert beide Arme sinken, die sie zum Schutz um ihren Kopf gelegt hatte. Beinahe schon gelassen, beobachtete sie, wie im kühlen Wind der Klimaanlage der Schweiß auf Kunikos Stirn im Nu verschwand und ihre Haut trocken, rau und rissig wurde.
Ob Kuniko wirklich erst neunundzwanzig war? Plötzlich kam ihr das wie eine glatte Lüge vor. Wahrscheinlich war sie älter als sie selbst. Das sah ihr ähnlich, eitel wie sie war – wegen solch lächerlicher Äußerlichkeiten sogar ihre Kolleginnen zu belügen! Yayoi verspürte tiefen Abscheu gegen Kuniko.
»Wann krieg ich das Geld?«
»So viel habe ich nicht, ich muss es mir erst bei meinen Eltern leihen. Kannst du nicht noch ein wenig warten?«
»Aha. Bekomme ich wirklich hunderttausend?«
»Nun ja, das hat Masako so festgesetzt...«, stammelte Yayoi. »Dann wird es wohl auf diese Summe hinauslaufen.«
Als Masakos Name fiel, verschränkte Kuniko eingeschnappt die Arme über ihrem dicken Bauch. Ihre Sprache wurde plötzlich derber: »Und sie, wie viel kriegt sie von dir dafür, na, raus damit!«
»Sie will gar nichts.«
Ungläubig verdrehte Kuniko die Augen. »Was denkt die sich eigentlich! Immer muss sie rumkommandieren und tun, als wäre sie was Besseres!«
»Aber sie hat mir geholfen.«
»Ja, ja, sie hat dir geholfen.« Kuniko nickte genervt und wechselte das Thema.
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