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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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lief schnell zum Fenster, um die Vorhänge aufzuziehen. Die Abendsonne stand schon sehr tief und tauchte das Zimmer in glühend rotes Licht.
    »Die Westsonne brennt sonst so«, entschuldigte sie sich, während Iguchis Blick auf die geschälten Kartoffeln fiel.
    »Ach ja, Ihre Küche liegt Richtung Westen. Dann wird es im Sommer sicher sehr heiß hier.« Iguchi zog ein Taschentuch heraus und wischte sich den Schweiß vom Gesicht, als störe ihn die Hitze im Zimmer. Schnell lief Yayoi zur Klimaanlage, schaltete sie ein und machte alle Fenster zu. Genau wie am Tag zuvor, als Kuniko da gewesen war.
    »Machen Sie sich keine Umstände, Frau Yamamoto«, sagte Iguchi leichthin, ließ seine Blicke jedoch aufmerksam überall im Raum umherschweifen. Als seine Augen schließlich auf Yayoi ruhten, verspürte sie eine lähmende Angst in der Magengrube. Zum ersten Mal kam ihr die Schwerkraft wie eine drückende Last vor, die sie bewegungsunfähig machte. Die Magengrube! Sie würde außerdem den eindeutigen Beweis für ihren Streit mit Kenji liefern. Davon durfte sie sich auf keinen Fall etwas anmerken lassen. So natürlich wie möglich verschränkte Yayoi die Arme vor der Brust.
    »Können Sie mir den behandelnden Zahnarzt Ihres Mannes nennen? Außerdem bräuchten wir seine Finger- und Handtellerabdrücke.«
    Endlich antwortete Yayoi mit belegter Stimme: »Sein Zahnarzt ist Doktor Harada am Bahnhof.«
    Iguchi schrieb den Namen schweigend in sein Notizbuch. Die Männer in Uniform waren sicher Beamte vom Erkennungsdienst.
Sie waren hinter Iguchi stehen geblieben und schienen auf seine Anweisungen zu warten.
    »Nun bräuchten wir eine Tasse oder einen anderen Gegenstand des täglichen Lebens, den Ihr Mann zuletzt benutzt hat.«
    »Ja, sofort.« Mit zittrigen Beinen führte Yayoi die Männer zum Waschbecken im Vorraum zum Bad. Als sie auf Kenjis Toilettensachen zeigte, holten die Männer ein weißes Pulver heraus und begannen mit der Arbeit. Sie kehrte ins Wohnzimmer zurück und fand Iguchi wider Erwarten gelöst am Fenster stehend vor. Er betrachtete das Dreirad und die anderen Spielsachen, die verstreut draußen im winzigen Garten lagen.
    »Ihre Kinder sind noch klein?«
    »Ja. Zwei Jungen, fünf und drei Jahre alt.«
    »Sind sie zum Spielen bei Freunden?«
    »Nein, im Kinderhort.«
    »Verstehe, dann arbeiten Sie also – darf ich fragen, wo?«
    »Früher war ich eine Zeit lang Kassiererin in einem Supermarkt, jetzt mache ich Nachtschicht in einer Lunchpaket-Fabrik.«
    »Oh, Nachtschicht. Ist das nicht anstrengend?« Iguchi sah sie mitleidig an.
    »Schon, aber ich kann ja schlafen, während die Kinder im Hort sind.«
    »Tja, in letzter Zeit scheinen das immer mehr Frauen so zu machen. Da drüben, ist das Ihre Katze?«
    Erstaunt schaute Yayoi in die Richtung, in die Iguchi gedeutet hatte. Neben dem Dreirad kauerte Milky, die nicht wusste wohin, und blickte zu ihnen herüber. Ihr weißes Fell war schon leicht schmutzig geworden.
    »Ach ja, sie gehört zu uns.«
    »Eine weiße Katze. Sollten Sie sie nicht lieber hereinlassen?« Iguchi dachte wohl an die Fenster und Türen, die sie für ihn fest verriegelt hatte, um die Klimaanlage anzustellen.
    »Nein, das ist nicht nötig. Sie mag es, draußen zu sein.« Yayoi hasste das Tier, seit es in jener Nacht vor ihr davongelaufen war und danach kein einziges Mal Anstalten gemacht hatte, ins Haus zu kommen. Der Tonfall war ihr deshalb etwas zu abfällig geraten. Doch das schien Iguchi nicht aufgefallen zu sein. Er sah auf seine Armbanduhr.

    »Es ist sicher bald Zeit, die Kinder abzuholen, nicht wahr?«
    »Ja… Was meinten Sie eigentlich vorhin mit ›Handtellerabdrücken‹?« Die Frage hatte sie schon die ganze Zeit beschäftigt.
    »Man kann einen Menschen auch anhand der Abdrücke der Handinnenflächen identifizieren. Die Finger der Leiche, die wir gefunden haben, sind so fein abgehobelt worden, dass man keine Abdrücke mehr nehmen kann. Aber es sind intakte Teile der Handflächen vorhanden, mit denen wir versuchen werden, die Identität festzustellen. Wir wollen hoffen, dass es sich nicht um Ihren Gatten handelt, aber Blutgruppe und Alter stimmen überein, so viel kann ich Ihnen schon mitteilen.« Iguchi hatte sehr schnell gesprochen und schlug nun die Augen nieder.
    »Zerstückelt, sagten Sie?«, murmelte Yayoi.
    »Ja.« Iguchi fuhr in dozierendem Tonfall fort: »Im Koganei-Park wurden insgesamt fünfzehn Beutel mit Leichenteilen gefunden, die einzelnen Stücke etwa in dieser Größe. Doch

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