Die Un-Heilige Schrift
Mormonen), Persönlichkeiten von Constantius II., Kaiser Konstantins Sohn und römischer Kaiser bis 361, über Giordano Bruno, John Locke, Isaac Newton, Leo Tolstoj bis zu Herbert W. Armstrong, dem Begründer der Weltweiten Kirche Gottes, dachten antitrinitarisch. Innerhalb der einheitlichen Ablehnung der Dreieinigkeit existierten und existieren sämtliche Schattierungen an Göttlichkeit Jesu – vom Beinahe-Gott bis zum ganz und gar menschlichen Propheten. Glauben Sie also, was Sie wollen, Sie sind in jedem Fall in – Gesellschaft.
Eusebius von Caesarea, der "Vater der Kirchengeschichte", war glühender Arianer, bevor er das nicäische Glaubensbekenntnis unterzeichnete, ohne je daran zu glauben.
Die entschiedene, aber ungeklärte Grundsatzfrage bildet auch den Kern der über Jahrhunderte unversöhnlichen Haltung zwischen der christlichen Kirche und dem Islam; mehr dazu im Kapitel „Jesus hinterlässt Spuren“.
Kaiser Konstantin war auf der ganzen Linie gescheitert – der erhoffte Kirchenfriede, von dem die so wichtige Stabilität im Reich abhing, trat nicht ein. Seine eigene Gespaltenheit mag dazu beigetragen haben: Er verbannte einige Jahre später Athanasius, einen der wichtigsten Vertreter des Trinitarismus, und ließ sich vom Arianer Eusebius von Nikomedia taufen; sein Sohn setzte diese Linie fort, Trinitarier und Arianer wechselten sich auch in der kaiserlichen Erbfolge ab.
Eine faktisch wirksame Entscheidung fiel erst im nächsten Konzil: 381 in Konstantinopel. Dort wurden die Ergebnisse von Nicäa bestätigt, mit der Rückendeckung des berühmten Ediktes Cunctos Populos des letzten gesamtrömischen Kaisers Theodosius I., mit dem dieser das Christentum im Jahr zuvor de facto zur Staatsreligion erklärt hatte.
Die Christenheit war nun – im schlechtesten Sinn des Wortes – befriedet: Eine Streitfrage des Glaubens war mit politischer Macht beantwortet worden.
Der Kanon steht
Abseits dieser Auseinandersetzungen hatte sich der biblische Kanon bereits weitgehend gebildet: Im Westen gilt er mit dem 3. Jahrhundert als im Grunde abgeschlossen, im Osten mit dem 4. – sieht man von der nach Gnostik riechenden Johannesapokalypse ab, die im Osten erst im 10. Jahrhundert definitiv Einlass in den Kanon fand. Umgekehrt waren im Westen der Hebräerbrief sowie einige katholische Briefe noch längere Zeit umstritten, die die Ostkirche bereits anerkannt hatte.
Es war also zum größten Teil klar, was einmal kanonisch genannt werden würde – und was als apokryph, im damaligen Sinne also häretisch, zu gelten hatte.
Die Ergebnisse von Nicäa beeinflussen die Welt bis zum heutigen Tag.
Dennoch spielten die historischen Ereignisse für die Kanonbildung sicher noch eine wichtige Rolle; vor allem aber beeinflussen die Ergebnisse von Nicäa die Welt bis zum heutigen Tag – und verfügen über eine enorme symptomatische Aussagekraft.
Niemand dachte je daran, das nicäische Glaubensbekenntnis in die Bibel aufzunehmen: Diese sollte erbauliche, verständliche, göttlich inspirierte und in allererster Linie die jesuanische Tradition fortschreibende Texte enthalten, je näher an Jesus selbst entstanden, desto besser. Beim Glaubensbekenntnis handelte es sich um eine Interpretation der Schrift, die zudem auf äußerst wackeligen Beinen stand. So sagt Jesus nach Joh 14,28: „Der Vater ist größer als ich.“ Insofern auch verständlich, dass mehrfach betont wird, der Vater habe den Sohn gesandt – und niemals umgekehrt. Sogar Petrus und Paulus waren sich ausnahmsweise einig, als sie schrieben: „Gesegnet sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus!“ (2 Kor 1,3.16; Eph 1,3; 1 Pet 1,3).
Der Bibel zufolge war Jesus Gott untergeordnet. Als Gott aber war Jesus geeignet, sogar dem römischen Imperium die Stirn zu bieten.
Als Gott war Jesus am besten geeignet, um den ganz und gar irdischen Machtanspruch zu stellen und sogar dem übermächtigen römischen Imperium die Stirn zu bieten. Noch bevor die erste gültige Bibel als ein zusammenhängendes Buch ausgewählter Schriften entstanden war, hatte eine – ausgesprochen fragwürdige – Interpretation der Lehre bereits eine wichtigere Rolle eingenommen, als es die Bibel selbst jemals vermochte.
Dass es um nichts anderes als Machterlangung bzw. -verfestigung ging, wird besonders im Zusatz zum nicäischen Glaubensbekenntnis deutlich:
Diejenigen aber, die da sagen „es gab eine Zeit, da er nicht war“ und „er war nicht, bevor er gezeugt wurde“, und er sei aus dem
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