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Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Titel: Die Unbekannten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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gab ihnen sein Geleit über das Gelände, das ohne das fahle Himmelslicht in Schwärze getaucht gewesen wäre.
    Als Grady glaubte, das Schlagen von Flügeln zu hören, blickte er auf, sah aber nur Sterne.
    Als sie sich der Veranda hinter dem Haus näherten, beschleunigte Merlin seine Schritte. Er sprang die Stufen hinauf, bewegte sich mit langen Sätzen über die Veranda und verschwand durch die Küchentür, die Grady beim Verlassen des Hauses nicht geschlossen hatte.
    Während sie draußen gewesen waren, hatte ein Eindringling den unbewachten Eingang für seine Zwecke genutzt. Grady war beim Abendessen gestört worden, doch jetzt war sein Teller, den er halbvoll auf dem Küchentisch zurückgelassen hatte, leer.
    Er hatte drei weitere Hühnerbrüste gebraten, eine für sein Mittagessen am nächsten Tag und zwei für den Hund. Sie hatten zum Abkühlen in einer Pfanne auf dem Herd gestanden. Die Alufolie, mit der er sie zugedeckt hatte, war fortgezogen und auf den Boden geworfen worden. Die Pfanne und das Fleisch waren verschwunden.

11
    Eine halbe Stunde nach dem Abendessen stand Henry Rouvroy, der zu aufgeregt war, um zu schlafen, und es kaum erwarten konnte, sich das Haus anzueignen, im Schlafzimmer. Dort füllte Nora Carlyles Kleidung die Hälfte aller Schubladen in den beiden Kommoden, der hohen und der niedrigen, sowie die Hälfte des Kleiderschranks. Es war nicht anzunehmen, dass ihre Sachen dem Mädchen passen würden, das er sich für den Kartoffelkeller auszusuchen gedachte, und er konnte die Schubladen und den Kleiderschrank für andere Zwecke gebrauchen.
    Henry besaß zahlreiche Schusswaffen und einen großen Vorrat an Munition und hatte die Absicht, seine Waffen im ganzen Haus und in der Scheune zu verteilen. Die Schubladen der hohen Kommode mit dem Aufsatz waren breit genug, um eine Schrotflinte oder ein Gewehr darin zu verstauen.
    Noras Kleidung in Plastikmüllsäcke zu stopfen dauerte länger, als er erwartet hatte. Wenn der Nation auch noch so grässliche Zeiten bevorstehen mochten und ungeachtet der Notwendigkeit, seine Zuflucht rechtzeitig herzurichten, ertappte sich Henry wiederholt dabei, dass er sich davon ablenken ließ, wie seidig sich die Unterwäsche seiner Schwägerin anfühlte.
    Als endlich sechs prall gefüllte Müllsäcke mit ihrer Garderobe dastanden, trug er jeweils zwei auf einmal auf
die Veranda vor dem Haus. Ursprünglich hatte er vorgehabt, die Säcke am Morgen in die Scheune zu bringen, aber er war immer noch so energiegeladen, dass er beschloss, es vor dem Schlafengehen hinter sich zu bringen.
    An der Hausecke, in der Nähe des Baumstumpfs, der als Hackklotz diente, stand eine geräumige Schubkarre, die Jim ursprünglich mit den Holzscheiten hatte füllen wollen, die jetzt verstreut im Gras lagen. Henry schob sie zu den Stufen, die zur Veranda führten, und belud sie dort mit den Kleidersäcken.
    Unter dem prallen Mond brauchte er keine Taschenlampe, um der Zufahrt zur Scheune zu folgen. Das ständige Kommen und Gehen im Erntemonat September hatte den unbefestigten Weg strapaziert und einen Zentimeter weichen Staub zurückgelassen, den der Wind bisher noch nicht weggefegt hatte. Seine Füße und die Räder der Schubkarre erzeugten darauf kaum Geräusche.
    Henry hatte erwartet, hier auf dem Land und in den umliegenden Wäldern sei es lauter. Natürlich hatte er keinen Lärm wie in der Stadt erwartet, aber doch ein ewiges Surren und Dröhnen, ein Ticken und Klicken, ein Rascheln, Raunen und Zischen. Stattdessen war die Nacht still, nahezu gespenstisch still, als sei alles, was kreuchte und fleuchte, auf einen Schlag ausgerottet worden und er das einzige Lebewesen, das nicht im Boden verwurzelt war.
    Als er die Scheune erreicht hatte, ließ er die Schubkarre in der Nähe der mannshohen Tür stehen, trat ein, tastete nach dem Schalter und machte Licht. Er trug zwei Kleidersäcke hinein, bevor er merkte, dass die Leichen
von Jim und Nora nicht mehr dort lagen, wo er sie zurückgelassen hatte.
    Er ließ die Säcke fallen und ging zu der Stelle, an der er seinen Bruder erschossen und später Noras Leichnam neben ihn gezerrt hatte. Ein Teil des Bluts auf dem Teppich aus Stroh war noch feucht und klebrig.
    Henry war ziemlich durcheinander, als er zu dem Traktor ging, auf der Suche nach den Toten um ihn herumlief, und dann auch um den Löffelbagger. Er war sich sicher, dass sie tot gewesen waren, alle beide, nicht nur verwundet und bewusstlos. Seine Verwirrung nahm zu, als er aufblickte und

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