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Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Titel: Die Unbekannten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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zu diesem Gebäude.
    In dieser abgelegenen Gegend gab es wenige Verbrechen, und bei diesen wenigen Fällen handelte es sich vorwiegend um Verbrechen aus Leidenschaft, selten um
Diebstahl oder Vandalismus. Daher vergaß Grady gelegentlich, die Tür der Werkstatt abzuschließen.
    Er konnte es auch diesmal vergessen haben, aber er hatte die Tür bestimmt nicht offen stehen lassen. Jetzt stand sie offen. Mit einem leisen Klicken seiner Krallen lief Merlin seinem Herrn über die Schwelle voraus.
    Da Leuchtstoffröhren kaum oder gar keine Schatten hervorbrachten, was es erschwerte, die Tiefe zu beurteilen oder die Oberflächenstruktur zu bearbeitender Materialien einzuschätzen, wurde die Werkstatt von Hängelampen mit flachen Schirmen erhellt. Die stationären Maschinen wurden aus jedem Winkel angestrahlt, um harte Schatten zu vermeiden, damit bewegliche Teile deutlich als solche sichtbar waren.
    Im Moment standen die Maschinen still: die Formatkreissäge, die Abrichthobelmaschine, die Bandsägemaschine, die Bohrmaschine, die Hohlmeißelfräse …
    Vier große Sessel mit verstellbarer Rückenlehne nach einem Entwurf von Gustav Stickley waren für einen Kunden aus Los Angeles in Arbeit. Mit ihren breiten, abgeschrägten Armlehnen, Seiten aus quadratischen Pfosten, einer Vollzapfenkonstruktion und freiliegenden Stiften würden die schönen Stühle außerdem auch noch bequem sein, wenn sie erst mit einem lederbezogenen Polster und einer federnden Sitzfläche versehen waren.
    Die Luft roch nach frisch gesägtem Eichenholz.
    Am hinteren Ende des großen Raums trennte ein kurzer, aber dafür umso breiterer Flur die Toilette von der simplen Darre, in der luftgetrocknetes Bauholz noch weiter
getrocknet wurde, um den Wassergehalt behutsam zu reduzieren.
    Die Tür zur Toilette stand offen, und der Spiegel über dem Waschbecken warf nur Gradys eigenes Gesicht zurück.
    Weder er noch Merlin waren verblüfft, als hinter der Tür der begehbaren Darre ein Zischen hervorkam. Um den Trocknungsprozess zu verlangsamen und zu verhindern, dass sich das Holz verzog oder warf, wurde von einem präzise kalibrierten Befeuchter von Zeit zu Zeit Wasserdampf in die Darre gesprüht.
    Der Türriegel hing herunter. Entweder jemand verbarg sich in der Darre – oder er hatte zu einem früheren Zeitpunkt einen Blick hineingeworfen und es dann versäumt, den Riegel wieder vorzulegen.
    Es stellte sich heraus, dass Letzteres der Fall war. Die Glühlampen, unter denen das Holz trocknete, zeigten, dass niemand in der Darre war.
    Am Ende des kurzen Flurs öffnete Grady eine schwere Tür, die an allen vier Kanten mit Hohlprofil-Dichtungsband aus weichem Gummi isoliert war. Dahinter lag der Endbearbeitungsraum, den er so staubfrei wie möglich hielt.
    Er beizte und lackierte seine Möbelstücke in Handarbeit. Ein Esstisch aus Mahagoni mit Intarsien aus Elfenbein im Stil von Greene and Greene, war im letzten Aushärtungsmonat, nachdem er eine sorgfältige Behandlung mit granatroter Schellackpolitur erhalten hatte.
    Für Grady waren die Gerüche von Schellack, Bienenwachs, Terpentin und reinem Spirituslack nicht weniger
angenehm als der Duft von wilden Rosen oder der Kiefern in der kristallklaren Luft eines Hochwalds.
    In seinen liebsten Träumen schwebte er durch riesige Häuser ohne Bewohner, durch einen menschenleeren Raum nach dem anderen, jeder mit schöneren Möbelstücken eingerichtet als der vorangegangene, Zimmer, in denen kein Mensch jemals einen anderen verraten oder eine Hand zu einer Gewalttat erheben würde, eine Lüge aussprechen oder aus Neid Ränke schmieden würde, um seinen Nachbarn zu ruinieren. Das waren seine einzigen Träume, in denen Gerüche vorkamen, und aus ihnen erwachte er immer glücklich und kostete die bleibende Erinnerung an die Düfte aus der Lackiererei aus.
    Wie die vordere Tür stand auch die hintere offen, von innen aufgeschlossen. Weder er noch der Wolfshund entdeckten jemanden draußen in der Nacht.
    Grady schloss die Tür ab, und als sie wieder vorn in der Werkstatt waren, öffnete er ein paar Schränke und Schubladen und nahm eine flüchtige Inventur vor. Weder Werkzeuge noch Material fehlten.
    Als er die Lichter ausgeschaltet und die Vordertür geschlossen hatte und gerade den Schlüssel im Schloss umdrehte, sagte er: »Womit haben wir es hier zu tun, Großer? Mit nichts weiter als neugierigen, wohlmeinenden Elfen oder mit garstigen Kobolden?«
    Der Hund schnaubte nur und schien sich nicht festlegen zu wollen.
    Der Mond

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