Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Titel: Die Unbekannten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
Vom Netzwerk:
Augen.
    Die Wiese war mehr als nur ein Ort gewesen, ein geografischer Punkt. Die Wiese war ein Moment gewesen, ein klar bestimmbarer Punkt in der Zeit. Ein Moment, in dem eine Bewegung eingesetzt hatte, ein Wendepunkt, an
dem sich sein Leben verändert hatte. Und nicht nur sein Leben, sondern viel mehr als das, vielleicht sogar alles.
    Er dachte an seine Mutter an einem anderen, ganz ähnlichen Fenster nach dem Tod seines Vaters, an dem Fenster, durch das sie ihre Vergangenheit und ihre Zukunft sah.
    Es war eine Nacht der Fenster, oben und unten, nach Norden, Osten, Süden und Westen, in die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Er ging zu der Tür, an der Merlin wartete, und die Tür war genaugenommen ein Fenster mit neun Scheiben.
    Von der Veranda blickten die Tiere weiterhin auf den Garten hinaus, in die Nacht, zu den Bergen und dem Mond.
    Sie mussten Gradys Anwesenheit wahrgenommen haben, und sei es auch nur aufgrund von Merlins früherem Bellen und dem flehentlichen Winseln, das er jetzt angestimmt hatte. Dennoch sahen sie sich nicht nach ihm um.
    Grady schaltete die Lichter in der Küche und auf der Veranda ein.
    Neben ihm hörte Merlin auf zu winseln und begann aufgeregt zu hecheln. Der Wolfshund schien weder furchtsam noch aggressiv zu sein. Sein wedelnder Schwanz schlug immer wieder gegen die Wand.
    Grady zögerte mit der Hand auf dem Türknopf.
    Er dachte an das schimmernde Licht, als er sich durch den Kiefernwald in Richtung Wiese bewegt hatte.
    Er fragte sich, wer wohl vorhin die Lichter in seiner Werkstatt und später in der Garage eingeschaltet hatte.
Wer hatte die Werkstatttüren geöffnet und das Rolltor der Garage hochgezogen?
    Immer noch mit der Hand auf dem Türknopf pochte er mit den Knöcheln der anderen Hand an eine der Scheiben der verglasten Tür.
    Die geheimnisvollen Tiere saßen regungslos auf dem Stuhl und auf dem Tisch und weigerten sich, ihre Augen zu zeigen.
    Er dachte an Marcus Pipp, der ihm den Namen Leguan gegeben hatte und, von dem Senator getötet, eines gewaltsamen Todes gestorben war. Er wusste nicht, warum er ausgerechnet jetzt, in diesem erstaunlichen Moment, an Marcus dachte, abgesehen davon, dass er im Lauf der letzten zehn Jahre oft an ihn gedacht hatte.
    Er hob die Hand ein zweites Mal an die Scheibe, klopfte aber nicht an das Glas. Er wollte ihre Augen sehen, wollte sie unbedingt sehen, doch er klopfte nicht.
    Er holte tief Luft.
    Dann öffnete er die Tür, die aus neun Fenstern bestand, und wo die Tür gewesen war, war eine Schwelle, und wo die Schwelle gewesen war, befanden sich jetzt die Bodendielen der Veranda.
    Die Tiere drehten sich um und sahen ihn und den plötzlich scheuen Hund an.

23
    Henry stand vor der Tür mit der Stuhllehne darunter und wartete darauf, dass sich der Türknopf erneut drehte, doch das tat er nicht.
    Die Hohlkerntüren des Kleiderschranks im Schlafzimmer und des Badezimmers hatten einer Ladung Schrot so gut wie keinen Widerstand entgegengesetzt. Wenn jemand auf der anderen Seite gelauert hätte, wäre er schwer verwundet worden.
    Die Kellertür bestand dagegen aus einer soliden Eichenplatte, hart und dick genug, um es mit Patronen vom Kaliber 20 aufzunehmen. Sogar Querschläger waren denkbar, ein Risiko, das Henry nicht eingehen wollte.
    Wer auch immer am oberen Ende der Kellertreppe stand – er musste, ebenso wie Henry, lauschen. Etwa eine Minute lang gab keiner von beiden dem anderen etwas zu hören.
    Der mittelmäßige Wein hatte einen Nachgeschmack unter Mittelmaß. Jetzt schmeckte Henry noch mehr Säure im Mund. Unter seiner trockenen Zunge, die nervös darüberglitt, waren seine Lippen wie ausgetrocknet.
    Auf der anderen Seite der Tür sagte sein Peiniger endlich etwas. Es war ein raues Flüstern. »Henry?«
    Die Stimme war gesenkt und heiser und hätte jedem gehören können. Sie wies keinerlei erkennbare Züge auf.
    »Henry, Henry, Henry, Henry.«
    Drei dieser vier Wiederholungen waren so verschliffen, als hätte der Peiniger einen missgestalteten – oder verletzten – Mund.
    Henry kannte niemanden mit einem Sprachfehler. Der Mann hinter der Tür konnte niemand sein, den er kannte. Niemand.
    Da es durchaus sein konnte, dass sein Gegner gut bewaffnet war, sagte Henry nichts und gab auch sonst keinen Laut von sich, der seine Anwesenheit und seinen Standort verraten hätte.
    Unter den Waffen in seinem Landrover war eine Urban Sniper, eine Schrotflinte mit Pistolengriff, die nur Patronen von solcher Wucht abschoss, um einen

Weitere Kostenlose Bücher