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Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Titel: Die Unbekannten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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rasch, doch er ließ sich Zeit, um seine Antwort auf die sechste zu durchdenken, die von Simon Northcott kam. Simon war bereits in Denver, wo am folgenden Nachmittag die Konferenz beginnen würde.
    Am Dienstag war ein Vortrag von ihm vorgesehen, doch stattdessen schlug Simon vor, er und Lamar sollten die Zeit für eine Diskussion nutzen. Simon listete drei thematisch verwandte Vorschläge auf, ausnahmslos Themen, die sie schon früher abgehandelt hatten.
    Eine öffentliche Diskussion mit Simon würde so ergebnislos sein wie eine Diskussion über eine verfassungsrechtliche Frage mit einem Broadway-Tenor, dem nur daran gelegen war, das Publikum durch das Schmettern von Musical-Songs für sich zu gewinnen. Falls sich das Publikum für rechtliche Fragen interessierte, hatte der Sänger nicht die geringste Chance, als Sieger aus der Diskussion hervorzugehen; aber da jedermann eine mitreißende Version von »Yankee Doodle Dandy« zu schätzen weiß, würde der Applaus ihn davon überzeugen, dass in Wirklichkeit er der Sieger war.
    Simon, früher einmal ein vernünftiger Mann, war heute eher ein Evangelist als ein Naturwissenschaftler. Seine
neue Art von Vernunft erlaubte es ihm nicht, eine liebgewonnene Theorie infolge neuer Informationen aufzugeben oder sie auch nur zu revidieren. Stattdessen forderte Simon, jede neue Information solle so ausgelegt werden, dass sie eine Theorie, der er und so viele andere ihre Karriere gewidmet hatten, bestätigte.
    Schließlich beantwortete Lamar die Aufforderung zu einer Diskussion.
    Lieber Northcott, jahrhundertelang, von Anbeginn der Naturwissenschaft bis zum Jahr meiner Geburt, glaubte man, das Universum hätte schon immer in genau dem Zustand existiert, in dem wir es beobachten. Dann kam die Urknalltheorie und ihr folgten Jahrzehnte des Zusammentragens von Beweisen dafür, dass das Universum einen kataklysmischen Beginn hatte und sich seit damals ständig ausdehnt. Falls ich lange genug lebe, könnte eine weitere Revolution in der Naturwissenschaft es überflüssig machen, dass wir beide über Ihr Lieblingsthema diskutieren. Dann würde ich einfach nur sagen müssen: Das habe ich Ihnen doch gesagt. Ich freue mich darauf, Ihren Vortrag zu hören.
    Nachdem er seinen Schlafanzug angezogen und sich die Zähne geputzt hatte, setzte sich Lamar auf die Bettkante und wählte seine Privatnummer in Chicago. Er hörte sich die aufgezeichnete Nachricht an: »Sie sind mit der Voicemail der Woolseys verbunden. Im Moment ist niemand verfügbar, um Ihren Anruf entgegenzunehmen, aber hinterlassen
Sie bitte eine Nachricht, und wir rufen Sie ganz bestimmt zurück.«
    Er hatte Zugriff auf hinterlassene Nachrichten, aber er war zu erschöpft, um sich jetzt damit zu befassen. Lieber würde er am Morgen noch einmal anrufen.
    Er hinterließ keine Nachricht. Es war ohnehin niemand da, der sie abgehört hätte.
    Er rief nur an, um Estelle zu hören, seine Ehefrau, die diesen Text aufgesprochen hatte. Sie war nun schon seit fast drei Jahren tot, urplötzlich von einem Aortenaneurysma dahingerafft, aber Lamar hatte die Ansage nicht geändert.
    Als er die Nachttischlampe ausschaltete, hatte er ihre Stimme noch deutlich in Erinnerung. Wenn er die Augen schloss, konnte er sie sehen. Kurz vor dem Einschlafen hoffte er, von ihr zu träumen.
    Er machte sich keine Sorgen, er könnte einen Alptraum über Estelle haben. Ihre Gegenwart garantierte vielmehr einen Traum, der ihm ein echter Trost und eine Freude sein würde.

22
    Beim Betreten der dunklen Küche flüsterte Grady dem aufgeregten Wolfshund beruhigende Worte zu.
    Merlin, der an der Glastür stand und hinausstarrte, hörte zwar auf zu bellen, doch er begann zu winseln, als spielten andere Hunde im Garten und er sei versessen darauf, mit ihnen herumzutollen.
    Grady beugte sich über den Tisch und schaute mit zusammengekniffenen Augen aus dem Fenster, vor dem er am früheren Abend Posten bezogen hatte. Seine Augen waren mittlerweile so gut an das Dunkel gewöhnt, dass er die beiden Geschöpfe sofort sah.
    Eines von ihnen saß auf dem Stuhl, auf dem Grady am späten Nachmittag gesessen hatte, als Merlin Scharen von Gerüchen durch den Garten nachgehetzt war. Es saß so da, wie es für einen Hund denkbar gewesen wäre. Das andere Geschöpf hockte auf der marmornen Tischplatte, wo Grady die drei Nachschlagewerke über die Fauna der Berge gestapelt hatte.
    Da beide dem Haus den Rücken kehrten, konnte Grady ihre Augen nicht sehen. Ihre unglaublichen, unerklärlichen

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