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Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Titel: Die Unbekannten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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geräumige Kapitänskajüte hatte eine Kombüse mit Teakholzschränken und dazu passenden Bodendielen aus
Teak, einen Essbereich und einen Salon. Dort wurde Mike Rivers von Jake und Zena erstochen.
    In der prachtvollen Kabine nach achtern hörte die fünfjährige Cammy hinter einer geschlossenen Tür den brutalen Angriff. Den Mord sah sie nicht – außer in ihrer Fantasie.
    Es dauerte einige Zeit, bis ihr Vater starb. Aber er flehte nicht um sein Leben. Sie vergaß nie, dass er sich weigerte, zu betteln.
    Jake und Zena wickelten die Leiche in eine Segeltuchplane und dann in Ketten. Später am selben Tag beschwerten sie das Paket zusätzlich mit einem Reserveanker und warfen es mehr als zwei Meilen von der Küste über Bord.
    Cammy war an Deck, als die festverschnürte Leiche über Bord ging. Es war schon gegen Abend, und die grüne und purpurne See öffnete sich wie ein gewaltiger dunkler Schlund; im nächsten Moment hatte sie ihren Vater gierig geschluckt und leckte am Bootsrumpf, als ob sie mehr wollte.
    Nach der Rückkehr in die Marina machte sich Jake auf die Suche nach Mikes Wagen, fuhr ihn woandershin und stellte ihn ab. An jenem Abend war er glänzend gelaunt.
    Am Morgen brachen sie nach Süden auf, Richtung Mexiko. Als sei nichts passiert, nicht das Geringste, erstreckte sich das Meer weit und funkelnd, die Luft roch frisch, der Himmel war blau, und weiße Möwen segelten mit einer Anmut, die sie an Land nicht besaßen.
    Jake Horner liebte Bücher. Er las Romane und Sachbücher,
aber besonders gern mochte er Bücher über psychotherapeutische Methoden. Er bezeichnete sich als »Reisenden«, als sei das eine Berufung, ein Hauptberuf und eine Religionszugehörigkeit. Er sagte, im Leben ginge es stets nur um eines: die nächste Gelegenheit.
    Da Cammy nie zur Schule ging, brachte Jake ihr das Lesen bei. Anschließend brachte sie sich als hingebungsvolle Autodidaktin alles andere bei, was sie wissen musste.
    Zena wusste die stimmungsverändernde Kraft von Drogen zu schätzen, insbesondere Ecstasy, und Jake machte es Spaß, Kinder zu quälen. Und ihnen Brandwunden zuzufügen. Diese Konstellation kam beiden entgegen; für Cammy war sie die Hölle auf Erden.
    Ihr geduldiger Privatlehrer, der ihr das Lesen beibrachte, ihr zujubelte, wenn sie einen Fisch fing, und ihr jedes Jahr höchstpersönlich einen Geburtstagskuchen buk, war zugleich ihr Folterknecht.
    Zehn Jahre lang pendelten sie auf dem Meer, und Jake war schon für sich genommen ein Meer von Widersprüchen. Wenn Cammy sich schnitt oder sich die Haut abschürfte, verband Jake die Verletzung zärtlich und überwachte besorgt den Heilungsprozess. Wenn er weniger mitfühlend aufgelegt war, fügte er ihr Verbrennungen zu – mit Zigaretten, mit Gegenständen wie Löffeln und religiösen Amuletten aus Gussmetall, die er vorher mit einem Butangasfeuerzeug erhitzte, und mit geschmolzenem Kerzenwachs.
    Ihre Mutter, die ihre Moral und ihr Gewissen mit der chemischen Seligkeit von Ecstasy zersetzt hatte, sagte ihr, sie solle dankbar für die Großzügigkeit sein, mit der Jake
seinen Reichtum teile, und für seine Zurückhaltung. Schließlich bereitete er Cammy nur zweimal im Monat Schmerzen, jeweils am ersten und dritten Sonntag des Monats, und daher brauchte sie sich nicht täglich zu fürchten, riet ihr Zena. Außerdem zeichnete er weder ihr Gesicht noch ihren Körper, sondern beschränkte seine Aufmerksamkeiten auf ihre Hände und Füße. Und obwohl die Drohung sexueller Übergriffe stets im Raum stand, verging er sich nie auf diese Weise an ihr. Ihr unterwürfiger Gehorsam und ihre demütige Kapitulation gaben ihm ein Gefühl von Macht, das er brauchte. Ihr Schmerz war seine Ekstase.
    »Der arme Kerl hat eine schwere Kindheit gehabt«, erzählte Zena der jungen Cammy. »Sein Vater war Psychiater. Seine Mutter war die Patientin seines Vaters. Sie hat an Anfällen von Überdruss und an psychosomatischen Ausschlägen gelitten. Keiner von beiden konnte den anderen heilen. Sie haben Jake gezeugt, um ein Anliegen zu haben, doch er hat ihnen auch nicht mehr Erfüllung gegeben als Spendenveranstaltungen für das Symphonieorchester oder für die Oper. Nachts weint er manchmal in meinen Armen, er ist ja so goldig.«
    Cammy erfuhr nie die Bedeutung, die der erste und dritte Sonntag für ihn besaßen, und auch nicht, warum es ihm wichtig war, ihr Brandwunden zuzufügen. Er behandelte jede Verbrennung mit Salbe, und wenn die Wunde verheilt war, küsste er die Narbe und

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