Die unbeugsame Braut
Als ich ihn gestern Abend zu Bett brachte, fragte er mich, ob er dich Mama nennen dürfe.«
Erschrocken fasste Georgina sich an den Hals. »Das tut mir leid, John. Elizabeth wird immer die Mutter deiner Söhne und deine geliebte erste Frau sein. Ich würde mir nie anmaßen, ihre Stelle einzunehmen.«
Johns Miene verhärtete sich. »Sprechen wir nicht von ihr.«
Georgina verbarg, wie gekränkt sie war, und wechselte rasch das Thema. »Francis und William sind morgen mit ihren Prüfungen fertig. Warum holst du sie nicht in London ab, und ich warte hier? So habt ihr eine gewisse Zeit allein für euch.«
»Danke, das ist sehr aufmerksam, Georgy.«
Am nächsten Tag nahmen Georgina und Johnny den Lunch in einem kleinen Raum neben dem großen Speisezimmer ein. Plötzlich öffnete und schloss sich die Tür in der Wand gegenüber von selbst. In Johnnys Blick trat Furcht, er ließ seinen Suppenlöffel klirrend fallen. »Ich habe zuvor schon gesehen, wie Türen sich öffneten und schlossen – auf Woburn spukt es.«
Georgina wollte seine Ängste sofort zerstreuen. »Ja, ich glaube,
wir haben wirklich ein Gespenst«, sagte sie harmlos. »Es ist aber unsichtbar und völlig ungefährlich. In Schottland, wo ich aufgewachsen bin, hatten wir auf unserer Burg ebenfalls ein Gespenst.«
»Und du hattest keine Angst, Georgy?«
»Nachdem wir ihm einen Namen gaben, nicht mehr. Das raubte ihm die Kraft, jemanden zu ängstigen. Warum denkst du dir nicht einen Namen für unser Gespenst aus?«
Johnny hob seinen Löffel auf und überlegte lange. »Ach, ich weiß schon. Bei Shakespeare gibt es ein wildes, exotisches Wesen, das von Magie und Emotionen beherrscht wird. Nennen wir unseren Geist Glendower!«
»Ein fabelhafter Name mit hübschem schottischen Klang. Wenn deine Brüder vor Angst schlottern, kannst du einfach mit einem Schulterzucken sagen: Ach, das ist nur Glendower, kein Grund zur Beunruhigung. Er ist ganz harmlos.«
Johnny verschluckte sich fast vor Lachen. »Das wird lustig, wenn ich Lord Francis und Lord William eins auswischen kann!«
Die ersten paar Tage zu Hause hielten Johns ältere Söhne Distanz zu Georgina, doch nachdem sie die beiden ermutigt hatte, sich Haustiere auszusuchen, und ihnen erlaubte, mit ihren Windhunden im Haus herumzutoben, fielen allmählich die Schranken.
Die junge Frau begleitete ihren Mann und seine Söhne, wenn sie zum Forellenfischen an den Fluss gingen, der durch ihren Besitz floss, und forderte sie zum Wettschwimmen im See heraus. Sie ermutigte die Jungen, mit dem Boot hinauszurudern und selbst gebastelte Drachen steigen zu lassen – und sie gab ihnen Zeichen-und Malunterricht. Sie schloss Wetten mit ihnen ab, dass ihnen landwirtschaftliche Arbeit gefallen würde, und so zogen die Jungen Gummistiefel an, gingen nach draußen und lernten, wie man einen Garten anlegte und pflegte oder wie man Schafe und Ziegen halten musste.
»Auf unserer Farm in Kinrara war ich immer das Ziegenmädchen«,
eröffnete ihnen Georgina. »Man braucht dabei auch hinten Augen, weil die verspielten kleinen Spitzbuben einen gern von allen Seiten stoßen.« John sah erstaunt mit an, wie seine ruhigen, reservierten Söhne zu wilden Lausbuben wurden, die von früh bis spät ihre Späße trieben. Ausgelassenes Lachen und das Kläffen von Hunden ertönte nun in den heiligen Hallen von Woburn, und immer war es die junge, ungestüme Stiefmutter, die sie zu allerhand Schabernack anstiftete. John begrüßte die Veränderung seiner Jungen. Es war nicht zu übersehen, dass sie nicht nur lebhafter und gesünder, sondern endlich auch – das Wichtigste von allem – glücklich waren.
Spätabends, wenn Georgina neben ihm eingeschlafen war, blickte John oft verwundert auf sie hinunter. Gott sei Dank habe ich sie gefunden. Wie grau und trist würde unser Leben ohne sie sein.
»Lauf mir mit den jungen Teufeln nicht davon, ich möchte etwas mit dir besprechen.«
Georgina nahm ihren Platz am Frühstückstisch wieder ein und verfütterte ein Stück Räucherfisch an die Katze Abbess.
»Dein Geburtstag ist am achtzehnten Juli, und ich bin der Meinung, dass wir diesen Anlass in großem Stil feiern sollten. Es wird höchste Zeit, dass wir ungeachtet unserer Trauer um Francis wieder Gäste auf Woburn empfangen.«
Georgina war um Worte verlegen. Obwohl sie wusste, dass John seinen Bruder betrauerte, tat sie es nicht und hatte zudem ein schlechtes Gewissen, weil sie weiterhin den Mythos nährte, sie habe Francis geliebt. Es
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