Die unbeugsame Braut
glaube, es wird Zeit, dass ich ihr gestehe, was für ein Alptraum meine erste Ehe gewesen ist.
»Johnny, du gehst nicht mehr zurück nach Westminster. Lass dir von mir beim Auspacken helfen.«
Er starrte sie fassungslos an. »Bist du sicher, dass ich nicht wieder auf die Schule muss? Und was ist mit Vater?«
John liebt Johnny über alles. Sicher wird er tun, was im Interesse seines Sohnes ist. »Ich habe ihm vorgeschlagen, er soll Hauslehrer für dich engagieren, und er erhob keine Einwände.«
Johnny schlang seine Arme um sie. »Georgy, du bist die beste Mutter der Welt.«
Ein Blick auf sein Frühstückstablett verriet ihr, dass er nichts angerührt hatte. »Wie wär’s, wenn wir jetzt hinuntergehen und etwas essen? Und dann machen wir mit den Hunden einen Spaziergang und lassen sie laufen. Die Blätter fallen schon – so herrliche Tag wie heute sind gezählt.«
Er grinste von einem Ohr zum anderen. »Wirklich ein herrlicher Tag!« Er kraulte seine Katze hinter den Ohren. »Komm schon, altes Mädchen!«
Unterwegs zum Frühstückszimmer schloss sich ihnen einer der Windhunde an. Doch als die Katze fauchte, zog er den Schwanz ein. Georgina und Johnny lachten, weil Abbess sich gegen den viel größeren Hund so tapfer behauptete.
Nach dem Frühstück riefen sie die Hunde und brachen zu einem ausgedehnten Marsch durch den Park von Woburn auf. »Vielleicht werde ich mich hin und wieder mit dir in eine Schulstunde setzen, Johnny. Meine Rechtschreibung ist ganz elend.«
»Vielleicht können wir auch ein paar Bücher zusammen lesen. Ich würde es gern mit Gullivers Reisen versuchen.«
Sie liefen etwa zwei Meilen, pfiffen dann den Hunden und machten sich auf den Rückweg. Die Windspiele liefen ihnen die ganze Stecke nach Woburn voraus, bis sie im Vorgarten Abbess erspähten, die ihre Krallen am Stamm einer uralten Eiche schärfte. Gemeinsam stürzten sie sich auf sie, sodass die Tigerkatze sich der Übermacht geschlagen gab und in den Baumwipfel flüchtete.
»Verdammte Hunde! Wir führen euch aus, und das ist der Dank dafür.« Johnny war völlig außer sich, weil sie seinen Liebling gejagt hatten.
»Ich bringe die Hunde ins Haus, und du versuchst, Abbess vom Baum zu locken.«
Als Georgina zurückkam, erschrak sie zutiefst. Johnny hatte den Baum bis zur Hälfte erklettert. »Komm um Gottes willen herunter! Dein Vater bekommt einen Anfall, wenn er dich so sieht!«
»Aber Abbess traut sich nicht, allein herunterzuklettern. Ich glaube, sie hockt zu weit oben.«
»Johnny, bitte komm herunter. Ich weiß, dass du es schaffen würdest, aber wenn dir etwas zustößt, gibt man mir die Schuld.«
»Ich kann sie doch nicht hier oben lassen. Angst zu haben, ist das schlimmste Gefühl auf der Welt.«
»Ja, ich weiß. Nur wer Angst kennt, weiß, wie man sich dabei fühlt. Wenn du herunterkommst, klettere ich hinauf und hole sie.«
»Weißt du denn, wie man auf einen Baum steigt, Georgy?«
»Ich kann klettern wie ein Affe. Du kannst mir zuschauen.«
Widerstrebend stieg Johnny herunter. Als er wieder auf sicherem Boden stand, rief Georgina die Katze und versuchte, sie herunterzulocken. Vergeblich – Abbess rührte sich nicht, und so raffte Georgina ihre Röcke und machte sich vorsichtig an den Aufstieg. Auf einer Höhe mit dem verängstigten Tier, wagte sie sich auf einen Ast hinaus, von wo aus sie die Katze packen konnte. Sie streckte die Hand nach Abbess aus, als plötzlich ein lautes Knacken ertönte. Von dem Geräusch erschreckt, sprang die Katze von Georgina fort und kletterte allein nach unten. Der große Ast jedoch, auf dem die junge Frau stand, brach vom Stamm, und sie spürte, dass sie fiel. Vergebens suchte sie Halt: Sie stürzte wie ein Stein in die Tiefe, wo ihr Kopf mit einem hässlichen, dumpfen Geräusch aufschlug. Schlaff und reglos blieb sie liegen.
Johnny war außer sich. »Georgy! Georgy!« Er fiel auf die Knie
und betastete ihr Gesicht, doch blieben ihre Augen geschlossen. »Wach auf! Bitte, wach auf!«
Johnny sah seinen Vater, der gerade zum Stall ritt. Er stand auf und rannte zu ihm hin. »Papa, Papa! Komm rasch!« Tränen liefen ihm über das Gesicht. »Ich glaube, Georgy ist tot!«
John sprang mit einem Satz aus dem Sattel und eilte auf seinen Sohn zu. »Wo ist sie?«
»Sie ist von der großen Eiche gefallen.« Der Junge war atemlos vom Laufen.
Beim Anblick der auf dem Boden liegenden, leblosen Gestalt drohte sein Herz stehen zu bleiben. Er sank auf ein Knie nieder und beugte sich über
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