Die unbeugsame Braut
sie. »Georgina! Georgy … kannst du mich hören?« Als sie nicht reagierte, spürte er, wie sich sein Inneres vor Angst zusammenkrampfte.
Er hob ihre Schultern an, strich mit der Handfläche über ihren Hinterkopf und ertastete eine große Beule. Er war ein wenig erleichtert, dass sie nicht blutete, befürchtete aber, dass sie schwere innere Verletzungen davongetragen haben könnte.
John hob seine Frau behutsam hoch und trug sie zum Haus, wobei er undeutlich wahrnahm, wie Johnny etwas von seiner Katze plapperte. »Ist sie am Leben, Papa? Lebt sie noch?«
»Ja, Johnny. Sie atmet, ist aber bewusstlos. Öffne die Haustür für mich.«
John brachte seine leblose Last durch den Empfangsraum in den Salon und legte sie sanft auf ein Sofa. Georginas Zofe Jenny und ein besorgter Burke folgten ihnen in den Raum.
»Was ist passiert?«, fragte der Butler.
»Sie ist von der großen Eiche gefallen.« Mit grimmiger Miene tastete John sie nach Knochenbrüchen ab.
»Es ist meine Schuld.« Johnny war weiß wie ein Laken. »Sie wollte meine Katze vom Baum holen«, jammerte er.
»Ich kann keinen Bruch finden«, sagte John zu Burke. »Aber sie könnte sich eine Schädelverletzung zugezogen haben. Immerhin
stürzte sie etwa fünfzehn oder zwanzig Fuß herunter.« Er klopfte leicht auf ihre Wange. »Aufwachen, Liebling!«
John zog ihr die Stiefel aus und massierte ihre Füße. Als jegliche Reaktion ausblieb, bekam er es wieder mit der Angst zu tun. »Wir müssen den Arzt kommen lassen. Würden Sie den Stallmeister losschicken, ihn zu holen, Mr. Burke?«
Johnny kniete neben dem Sofa. »Bitte, wach auf, Georgy. Sag uns, wo es dir wehtut.«
John sah seinem Sohn an, wie schuldig er sich fühlte. »Jenny, bringen Sie den Jungen in die Küche. Er soll etwas trinken. Hier ist er nur im Weg. Und bringen Sie mir eine Schüssel mit Wasser und ein Handtuch.«
Als das Gewünschte gebracht wurde, benetzte er Georginas Gesicht in der Hoffnung, sie würde dadurch wieder zu sich kommen, doch nichts geschah. »Jenny, geh und frag nach, ob die Köchin Riechsalz hat.«
Bald kam das Mädchen mit einem Fläschchen zurück, das John seiner Frau unter die Nase hielt. Als Georgina auch darauf nicht reagierte, konnte er seine Angst kaum noch unter Kontrolle halten. Äußerlich ruhig, war er innerlich von Panik erfüllt. Er fasste sie um die Schultern und hob sie hoch, damit er sie in die Arme nehmen konnte. Es zerriss ihm das Herz, wie klein und zerbrechlich sie sich anfühlte.
»Mein Liebling, mein armer Liebling, öffne die Augen«, bat er leise.
Schließlich, nach einer endlos scheinenden Zeit, traf Dr. Halifax ein. John schob für ihn einen Stuhl ans Sofa und berichtete, was sich zugetragen hatte. Beklommen wartete er auf die Diagnose des Arztes.
»Wie lange dauert dieser Zustand Ihrer Frau schon an?«
John versuchte abzuschätzen, wann der verhängnisvolle Sturz passiert war. »Inzwischen müssten es fast zwei Stunden sein. Ich glaube nicht, dass sie sich etwas gebrochen hat, und Fieber hat sie
auch keines.« Eine Feststellung, die nur seiner eigenen Beruhigung dienen sollte.
»Ist sie unmittelbar nach dem Sturz zu sich gekommen?«
»Nein, Doktor.«
Halifax zog ein Lid Georginas mit dem Daumen hoch. »Ihre Augen sind blutunterlaufen. Das sieht nach einer schweren Gehirnerschütterung aus.«
Johns Herz tat einen heftigen Schlag. »Sie wird doch wieder zu sich kommen?«
»Das lässt sich schwer voraussagen, Euer Gnaden. Je länger der Zustand andauert, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihr Bewusstsein wiedererlangt. Tut sich in der nächsten oder übernächsten Stunde nichts, so muss man davon ausgehen, dass sie im Koma liegt.«
John erstarrte. Das Wort Koma beschwor in ihm eine unheilvolle Erinnerung herauf. Elizabeth war ins Koma gefallen und daraus nicht mehr erwacht.
»Ihre Frau könnte sich irreparable Gehirnschäden zugezogen haben. Ich möchte Ihnen keine falschen Hoffnungen machen.«
»Vielleicht sollte man sie zu Bett bringen?«, schlug John vor.
»Meiner Meinung nach wäre es besser, sie nicht zu bewegen.«
»Können Sie denn gar nichts für sie tun, Halifax?«
Der Arzt nickte. »Doch, ich werde mein Bestes versuchen.« Er öffnete seine Ledertasche und entnahm ihr eine Schale und ein Skalpell. Dann griff er nach Georginas Arm und schob ihren Ärmel hoch.
»Was soll das?«, fragte John beunruhigt.
»Ich werde sie zur Ader lassen. Das könnte helfen.«
»Sie wollen sie schröpfen? Ist das Ihr Ernst,
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