Die unbeugsame Braut
in den Spiegel. Plötzlich wurde ihr klar, dass Jean Christie die Entbindung bereits gut überstanden haben musste, denn andernfalls wäre ihr Vater nicht nach London gekommen. Ich hätte es wissen müssen .
Sie ging an ihre Schlafzimmertür und lauschte, um sich zu beruhigen. Sie reden nur über den König . Doch die Sache ließ ihr keine Ruhe. Sie brauchte den Rat ihrer Schwestern Susan und Charlotte. Die beiden würden wissen, ob es richtig gewesen war, der Mutter die niederschmetternde Nachricht von einem weiteren unehelichen Kind vorzuenthalten.
Sie schlich über den Korridor zu Susans Zimmer, klopfte leise, öffnete und trat rasch ein – unangemessenerweise, wie ihr sofort aufging. Der Anblick, der sich Georgina bot, raubte ihr buchstäblich den Atem. Kleidungsstücke lagen überall verstreut im Raum, und Susan und William trieben es splitternackt mitten auf dem Boden. »Allmächtiger! Du reitest ihn!«
Der ausgestreckt auf dem Boden liegende Montagu grinste sie an. »Du bist es, die sie auf die Idee brachte, Georgy. Willst du mitmachen?«
Georgina ging rückwärts aus dem Zimmer und schloss die Tür. Es war das erste Mal, dass sie mit einem Sexualakt konfrontiert worden
war, und sie war schockiert. Nun bereute sie, dass sie überhaupt auf die Idee gekommen war, sich an Susan zu wenden. Charlotte mit ihrem praktischen Verstand war es, die ihr raten konnte. Sie eilte in den Ostflügel, an den leeren Gemächern ihres Vaters vorüber, und blieb an der Tür ihrer ältesten Schwester stehen. »Darf ich eintreten?« Sie drehte den Knauf, und die Tür schwang auf.
Charlotte, den gewölbten Bauch von einem züchtigen Nachthemd bedeckt, saß auf der Bettkante. Vor ihr stand ein nackter Charles, dessen Glied in ihrem Mund steckte.
»Es … es … tut mir leid«, stammelte Georgina.
Charlotte ließ einen erstickten Laut hören, Charles errötete bis zu den Haarwurzeln, und Georgina ergriff die Flucht.
Sie war noch keine fünf Minuten auf ihrem Zimmer, als auch schon Charlotte anklopfte und eintrat. »Du siehst ja gespenstisch bleich aus. Komm her und setz dich.«
Georgina ließ sich von ihrer Schwester zu einem Sessel führen.
»Was du gesehen hast, hat dich so aus der Fassung gebracht?« Charlotte setzte sich auf das Bett und legte die Hände auf ihren schwangeren Leib.
»Ich hätte nicht so hereinplatzen dürfen.«
»Und ich hätte die Tür abschließen sollen. Also, das wäre erledigt, jetzt reden wir darüber, was du gesehen hast.«
»Ich wusste nicht … nie hätte ich mir vorgestellt …«
»Wirklich! Ich hatte ja keine Ahnung, dass du so unschuldig bist. Aber du weißt doch, was sich zwischen Mann und Frau abspielt … wie man Babys macht.«
»Natürlich weiß ich über die Fortpflanzung Bescheid – zumindest theoretisch. Und auf der Farm habe ich oft gesehen, wie es unter Schafen zugeht.«
»Zwischen Mann und Frau gibt es viele Formen der Intimität. Wenn man während der Schwangerschaft nicht mehr so ohne weiteres miteinander schlafen kann, dann brauchen Männer auf andere Weise eine sexuelle Entspannung. Wenn sich nämlich kein Ventil
für ihre Triebe bietet, können sie derart lüstern werden, dass sie zu allem fähig sind. Sie suchen sich dann eine Frau, die sie befriedigt – so einfach ist das.«
»Du willst mir also damit sagen, dass eine Frau sich den Forderungen ihres Mannes fügen muss, und mögen diese noch so abstoßend sein?«
»Georgy, Sex ist nicht abstoßend, nicht mit dem richtigen Partner. Manchmal kann er wirklich herrlich und zutiefst befriedigend sein, und das nicht nur für den Mann. Wir alle sind sexuell orientierte Wesen und begehren Intimitäten, empfinden Lust. Man muss nur den richtigen Partner finden, und deshalb gibt es die Zeit der Werbung.«
Georgina versuchte zu begreifen, was Charlotte ihr gerade auseinandersetzte.
»Und was ist mit der Liebe? Gibt es sie überhaupt?«
»Wenn man Glück hat. Doch ist es in jeder Beziehung so, dass einer immer stärker liebt als der andere.«
»Oder lüsterner ist als der andere.«
»Genau.«
»Ich wollte dich eigentlich aufsuchen, um deinen Rat zu erbitten, wegen Mutter.«
»Wie das?« Charlotte lachte. »Sie sollte die sein, die dir Ratschläge gibt. Was hat sie denn jetzt wieder angestellt?«
»Sie hat Vater in ihr Zimmer gelassen und sehr wahrscheinlich auch in ihr Bett. Hätte ich ihr erzählt, was ich weiß, würde sie das nie getan haben. Und jetzt plagt mich mein schlechtes Gewissen.«
»Und was weißt
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