Die unbeugsame Braut
verbrachten einen ganzen Nachmittag damit, einander die Roben vorzuführen, die sie tragen wollten. Die Herren zogen sich ins Kartenzimmer zurück und diskutierten die Vorzüge verschiedener Rennpferde und die Höhe der Beträge, die sie in Newmarket und Woburn verloren hatten.
An jenem Abend lag Georgina wach im Bett, zu aufgeregt, um einzuschlafen. Sie stand auf und ging ans Fenster, um die Sterne am mitternächtlichen Firmament zu betrachten. »Ich wünschte, Papa wäre gekommen«, flüsterte sie wehmütig. Ihr Widerwille vor dem Empfang bei Hof wurde noch gesteigert, weil der Vater nicht zur Stelle sein würde und als moralische Stütze wegfiel. Ihr Selbstvertrauen war auf dem Tiefpunkt. Man wird glauben, seine Abwesenheit beweise einen Mangel an Liebe und Fürsorge. Aber das stimmt nicht! Da erblickte sie eine Sternschnuppe und äußerte stumm einen Wunsch.
Am nächsten Morgen schlief Georgina sehr lange, und als sie hinunter zum Frühstück ging, traf sie ihre Geschwister samt Anhang an, die alle gleichzeitig redeten. Niemand beachtete sie wirklich, und so schob sie ihr Essen lustlos auf dem Teller herum.
Schließlich fasste Louisa nach ihrer Hand und drückte sie. »Na, was ist los?«
»Keinen Appetit«, murmelte sie.
»Die Nerven«, erklärte Charlotte gewohnt weise.
Georgina rang sich ein leeres Lächeln für Louisa ab. »Bist du glücklich?«
»Ich bin Lady Brome, und eines Tages werde ich die Marchioness of Cornwallis sein. Natürlich bin ich glücklich.«
Georgina starrte ihre hübsche, rothaarige Schwester an. Können Titel eine Frau wirklich glücklich machen ? Bin ich ohne Titel zum Unglücklichsein verurteilt?
Wieder drückte Louisa die Hand ihrer Schwester, um sie zu beruhigen. »Keine Bange, Georgy. Ich bin zuversichtlich, dass du uns alle übertrumpfen wirst!«
»Du bist die Schönheit der Familie«, sagte Charlotte munter. »Wir erwarten von dir Großes.«
Georginas Herz sank. Verzweifelt wünschte sie, sie könnte sich in Luft auflösen.
Einer nach dem anderen stand vom Tisch auf, völlig von den Vorbereitungen für die Zeremonie im St. James’s Palace in Anspruch genommen. Schließlich saß Georgina allein da und wurde von unerklärlicher Trägheit erfasst. Als sie merkte, dass plötzlich hektische Bewegung im Haus herrschte und das Personal emsig hin und her lief, war ihr klar, dass eine wichtige Person eingetroffen sein musste. Ihre Starre abschüttelnd, verließ sie das Frühstückszimmer. Als sie an einem Fenster vorüberging und zufällig hinausblickte, sah sie eine große, schwarze Reisekutsche in der Auffahrt stehen.
Georgina lief durch die Eingangshalle, riss die Haustür auf und eilte die Stufen hinunter. Ihre Lethargie von vorhin war vergessen. »Papa! O Papa! Du bist doch gekommen! Ach, ich bin ja so glücklich und aufgeregt. Ist das nicht ein herrlicher Tag?!« Lachend und zugleich weinend warf sie sich in seine ausgestreckten Arme.
»Sieh mal, wen ich mitbringe, mein Mädchen!«
Georgina blickte zu dem Mann, der eben aus der Kutsche stieg. »Mr. Gow! Mr. Gow! Sie werden morgen auf meinem Ball spielen! Willkommen in London, Mr. Gow. Vater hätte mir kein schöneres Geschenk mitbringen können.«
Den Arm um seine Tochter gelegt, ging Alexander Gordon auf das Haus zu. »Wie viele sind denn zu diesem großartigen Ball eingeladen?«
»Dreihundert«, musste sie widerstrebend zugeben.
»Mir sind diese verdammten Anlässe verhasst, erwarte also nicht, dass ich für diese hochnäsigen englischen Snobs den Gastgeber spiele. Aber heute begleite ich dich an den Hof. Es wird mir ein Vergnügen sein, dich der Königin vorzustellen.«
Sie sah ihm lächelnd in die Augen. »Danke, Papa.«
Um ihr gutes Verhältnis zueinander zu bekunden, legten der Duke und die Duchess of Gordon die kurze Strecke von der Pall Mall zum St. James’s Palace gemeinsam in einer Kutsche zurück. Mit ihnen fuhren Lord Huntly, ihr Sohn und Erbe, und ihre jüngste Tochter Lady Georgina. Hinter ihnen rollten die Gefährte des Duke und der Duchess of Manchester, des Earl und der Countess of March sowie von Lord und Lady Brome und zuletzt der Wagen von Madelina und ihrem Ehemann, Sir Peter Palmer.
Vor dem Palast angekommen, musste die Gordon-Prozession über eine halbe Stunde warten, ehe alle aussteigen konnten, da sich vor dem Eingang die Kutschen stauten. Das Herzogspaar nahm Georgina in die Mitte, die übrige Familie folgte.
In der großen Menge, die sich zum Audienzsaal bewegte, wo die
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