Die unbeugsame Braut
Debütantinnen der Königin Charlotte vorgestellt werden sollten, erspähte Georgina die übertrieben hohe und mit Straußenfedern dekorierte Perücke der Duchess of Devonshire. Ihr Blick glitt über das starre, bleiche Antlitz des Gemahls dieser Dame, und schließlich sah sie auch Lady Dorothy, die Tochter der beiden. Die Erscheinung der Freundin, die zwar ein exquisites weißes Musselinkleid und eine Perücke ähnlich wie sie selbst trug, wurde beeinträchtigt durch ihre Größe und die linkische Art, sich zu bewegen. Auch ihr ständig leicht geöffneter Mund trug nicht dazu bei, ihre Attraktivität zu heben.
Georgina schenkte ihrer Freundin flüchtig ein ermutigendes Lächeln. Ich bin froh, dass Papa da ist. Seine Nähe gibt mir so viel mehr Selbstvertrauen . Um sich blickend, sah sie etwa ein Dutzend junger Damen, die wie sie der Vorstellung harrten. Sie kannte deren Namen, da sie die Liste gesehen hatte, die Eltern der Mädchen freilich waren ihr vertrauter, weil diese oft auf den Gesellschaften im Hause ihrer Mutter zu Gast gewesen waren.
So sah sie die Schwester der Duchess of Devonshire, Lady Bessborough, die ihre Tochter Caroline Ponsonby sowie Harriet Cavendish mitgebracht hatte. Georgina lächelte den Mädchen zu, doch Caro streckte ihr die Zunge heraus. Leider entging dies Jane Gordon nicht, die im Gegenzug Lady Bessborough hochmütig die kalte Schulter zeigte.
Als endlich die Türen zum Audienzsaal geöffnet wurden, betraten die Wartenden, hintereinander in einer Reihe schreitend, den langen Raum mit den königlichen Porträts und kostbaren Wandteppichen, um sich dann an den Wänden entlang aufzustellen. Der Zeremonienmeister rief die Namen der einzelnen Familien sowie die der Debütantinnen auf, die in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt wurden. Jedes der Mädchen ging allein die ganze Länge des Saales entlang und trat vor die in einem Sessel thronende Königin Charlotte hin.
Jane murmelte hinter ihrem Fächer: »Sehr erfreulich, dass Premierminister Pitt erschienen ist, um seinen Respekt zu bekunden.« Ein wenig ungehalten fuhr sie fort: »Zu schade, dass unsere Tochter erst nach den Töchtern der Devonshires an die Reihe kommt.«
Der Zeremonienmeister wartete, bis die Königin, die am anderen Ende des Saales saß, ihr Gespräch mit Lady Henrietta Coyningham beendet hatte; dann las er von einer Karte ab: »Lady Dorothy Cavendish, Tochter des Duke und der Duchess of Devonshire.«
Die Herzogin versetzte ihrer Tochter einen Schubs, und Lady Dorothy trat vor und ging ungelenk und zögerlich auf die Königin zu, dabei den Kopf vorstreckend wie eine Schildkröte.
Als Georgina ihre Mutter murmeln hörte: »Erst der Kopf, der Hintern kommt gleich nach«, tat es ihr für ihre Freundin bis ins Herz weh. Dann sah sie, wie ihre Mutter dem Zeremonienmeister die Einladungskarte mit ihrem Namen übergab.
Nun war die Reihe an ihr. Sie klappte den Fächer zu, zupfte die Handschuhe zurecht und schob stolz ihr Kinn vor.
»Lady Georgina Gordon, Tochter des Duke und der Duchess of Gordon of Banffshire, Schottland.«
Georgina fühlte sich wie von einer strahlenden Aura umgeben. Ihre Lippen teilten sich zu einem halben Lächeln, und sie hatte das Gefühl, förmlich durch den langen Audienzsaal zu schweben. Vor der Königin angelangt, versank sie in einen anmutigen, tiefen Knicks und wartete, bis Charlotte sie aufgerichtet hatte.
»Es ist eine besondere Freude, die jüngste Tochter unserer lieben Freunde, des Duke und der Duchess of Gordon, kennenzulernen«, sagte die Königin.
Mit reizendem Lächeln erwiderte Georgina: »Es ist eine große Ehre, Ihnen vorgestellt zu werden, Eure Hoheit.«
Die strahlende Schönheit und Anmut der jungen Debütantin entlockte dem Publikum ein kollektives, hingerissenes Seufzen.
Nachdem alle jungen Damen vorgestellt worden waren, erhob die Königin sich und führte die Gäste in einen Empfangsraum, in dem die Anrichten an den Wänden sich unter Horsd’œuvres, üppigen Desserts und deutschen Weinen bogen.
Jane Gordon, die in der Gunst der Königin ganz oben stand, brachte ihr ein Glas goldenen Rheinwein. Ihr entging nicht, dass ein Ausdruck der Panik über Charlottes Gesicht huschte, als der König eintrat und sich unter die Gäste mischte. »Ist etwas?«, murmelte sie.
»Der König ist heute nicht ganz bei sich. Könnten Sie mir helfen, Lady Gordon?«, flüsterte die Königin ihr zu.
Jane warf einen kurzen Blick auf den König, der in etwas gehüllt war, das einem
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