Die UnderDocks - Verschwörung in der Hafencity
gesprochen zu haben.
Leon wartete noch einen Moment, dann erhob er sich vom Stuhl, setzte sich auf den Boden, zog die Beine an und beugte sich soweit nach vorn, dass seine Nase die Knie berührten. Langsam ließ er nunsein Gesicht über die Knie rutschen, um sich auf diese Weise die Augenbinde abzustreifen.
Es gelang nicht ganz und Leon probierte es gleich ein zweites Mal. Die Augenbinde rutschte samt Brille entgültig hoch und saß nun wie ein Stirnband auf seinem Kopf.
Neugierig schaute sich Leon um. Der Raum war nicht beleuchtet, aber eine Unzahl von kleinen, rot und grün blinkenden Kontrolllämpchen hüllten ihn in ein gespenstisches Licht. Ein paar der Lämpchen flimmerten auch gelb, einige sogar blau. Alle zusammen erzeugten genügend Helligkeit, um ihn allmählich erkennen zu lassen, dass er in ein Labor gesteckt worden war. Und in was für ein fantastisches! Riesengroß, mit allem ausgestattet, was man sich nur vorstellen konnte. Und geheim, um ungestört arbeiten zu können. Genau so eines, wie er es sich immer gewünscht hatte.
Doch im selben Moment erschrak er über seine eigenen Gedanken. Man hatte ihn entführt wie vermutlich die anderen zeitweise vermissten Kinder. Aber weshalb? Was stellten sie mit ihren Opfern hier unten an? Wenn er am eigenen Leib erfahren würde, welches Geheimnis dieses Labor barg, würde es vermutlich zu spät sein. So schnell wie möglich wollte er durch eine Wand verschwinden.
Doch dann wurde ihm bewusst, dass er das jaimmer noch tun konnte, sobald er hörte, dass sich jemand näherte. Solange er hier allein gelassen wurde, konnte er versuchen, sich von seiner Fessel zu befreien und herauszufinden, welchem Zweck das Labor diente.
Leon traute sich nicht, nach einem Lichtschalter zu suchen, denn möglicherweise würden seine Bewacher das Licht sehen. So tastete er sich mit vorsichtigen Schritten durch das düstere Labor, um nach etwas zu suchen, womit er sich von der Fessel befreien konnte.
Seine Wahl fiel auf ein 1-Liter-Becherglas. Mit dem Fuß stieß er es vom Tisch. Das Glas zerbrach auf dem Boden. Leon ging in die Hocke, fummelte mit zusammengebundenen Händen die größte Scherbe heraus und begann, damit an seiner Fessel zu schaben. Jetzt erst bemerkte er, dass Träne ihm die Händemit einem Kabelbinder gefesselt hatte, das hieß: stabiles Plastik. Mit einer Glasscherbe konnte er da nichts ausrichten. Er brauchte ein scharfes Messer.
Als er wieder durch das Halbdunkel tappte, stieß er sich den großen Zeh an einem schweren Kasten. Leon quiekte kurz auf vor Schmerz. Dann betrachtete er den Kasten eingehend und kam zu dem Schluss, dass es sich um eine Kühltruhe handeln musste. Sie war aus blankem Edelstahl, sehr lang und auffällig niedrig. Ein kleines bisschen sah es aus, als hätte jemand einen Sarg zu einer Kühltruhe umgebaut. Am Deckel leuchteten verschiedene Lämpchen und eine digitale Temperaturanzeige gab minus 196 Grad Celsius an.
»Wow!«, entfuhr es Leon. Das war wirklich verdammt kalt. Die Truhe war mit einem Gerät verbunden, das an einen veralteten PC erinnerte. Der leuchtende Monitor zeigte eine Temperaturkurve, der Leon entnahm, dass die Truhe erst vor vierundzwanzig Stunden in Betrieb genommen worden war.
Jetzt glaubte Leon zu wissen, was er da vor sich hatte: einen Gefrierautomaten, mit dem man organische Gewebe oder Organe einfrieren konnte, um sie eine Zeit lang haltbar zu machen. Von so etwas hatte er schon gelesen.
Aber soweit Leon wusste, gab es in Downtown kein Krankenhaus. Und wenn er nachvollzog, welchen Weg er von dem geheimen Gefängnis bis hierher zurückgelegthatte, konnte er unmöglich in einen anderen Stadtteil gelangt sein. Das bedeutete, dies war auf keinen Fall das Labor einer Klinik. Leon erschrak. Tjark und seine Hintermänner würden doch wohl nicht in einen illegalen Organhandel verwickelt sein?
Alle entführten Kinder waren nach zwei, drei Tagen wieder aufgetaucht. Fehlten ihnen seitdem Organe? Eine Niere vielleicht? Davon war in den Nachrichten nie etwas gesagt worden. Vielleicht hatten sie es nur verschwiegen? Doch wozu? Leon wurde ganz schwummerig. Er sollte schleunigst von hier verschwinden.
Trotzdem juckte es ihm in den Fingern, den Deckel des Gefrierautomaten zu öffnen und nachzusehen, ob seine finstere Vermutung stimmte. Doch um den breiten Griff zu entriegeln, benötigte er seine Hände. Wenn er nur die verdammte Fessel losbekommen würde! Leon schaute sich nochmals um und entdeckte auf einem der Tische eine
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