Die UnderDocks - Verschwörung in der Hafencity
unterwegs war?
Leon fasste an seinen linken Ärmel, um zu sehen, wie spät es war. Doch auch hier: Fehlanzeige. Bis auf seine Unterwäsche hatten sie ihm die Kleidung abgenommen. Wie lange war es her, dass er mit Pep getürmt war? Eine Stunde? Mehrere Stunden? Vielleicht schon eine ganze Nacht? Leon wusste nicht, wie lange er bewusstlos gewesen war und hatte daher jegliches Zeitgefühl verloren.
Er blieb auf dem harten Untergrund liegen und tastete nach seiner Brille. Bingo! Wenigstens die hatten sie ihm gelassen. Über die kleine, in die Brille eingebaute Lese-LED hatte er ein bisschen Licht. Es reichte zwar bei Weitem nicht, um den Raum auszuleuchten, aber genügte, um sich halbwegs orientieren zu können. Er wartete, bis sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten. Dann erkannte er, wo er lag: in der geheimen Gefängniszelle, in der er Timor entdeckt hatte. Aber Timor war nicht mehr hier. Jetzt lag er selbst auf der Pritsche. Nach und nach erkannte er schemenhaft den Stuhl, den kleinen Tisch, die chemische Toilette. Und er wusste auch,dass sich hinter der Tür der alte Waschraum befand. Natürlich konnte er die Zelle jederzeit durch die Tür oder eine der Wände verlassen. Und doch ärgerte es ihn, Timors Spur verloren zu haben. Und – ohne Kleidung fühlte er sich unsicher.
Trotzdem. So schnell es ging, sollte er von hier fort. Er stand auf und wollte gerade durch die Tür gleiten, als diese aufsprang und ihn beinahe umgehauen hätte. Im letzten Moment konnte er zurückspringen.
Herein kam Träne, leuchtete mit einer grellen Lampe in die Zelle und baute sich breitbeinig vor Leon auf.
»Mitkommen!«
»Wohin?«
»Frag nicht, mitkommen!« Träne packte Leon am Arm, verband ihm die Augen und führte ihn mit sich hinaus aus der Zelle.
»Was soll das?«, protestierte Leon. »Ist doch sowieso überall stockfinster.« Er erinnerte sich, wie Pep mit seinem Pfeil hier unten für einen Kurzschluss gesorgt hatte. Offenbar hatten sie es noch nicht geschafft, die Leitung zu reparieren.
Träne ging nicht auf seinen Protest ein, sondern band ihm auch noch die Hände auf dem Rücken zusammen.
Leon verfluchte sich. Wäre er doch nur einen Tickeher erwacht! Dann wäre er schon fort gewesen, als Träne die Zelle betreten hatte. Stattdessen befand er sich jetzt wirklich in der Gewalt der Sharks. Gefesselt und mit verbundenen Augen konnte er unmöglich nach einer Wand suchen, durch die er fliehen konnte. Er sah nicht einmal, ob sich noch jemand in der Nähe aufhielt, der ihn beobachtete. Dass Träne ihm seine Brille wieder über die verbundenen Augen gesetzt hatte, nutzte auch nichts. Leon war völlig hilflos und hatte nicht die geringste Ahnung, was nun mit ihm geschehen würde. Immerhin hatte er wohl wenigstens Pep und Linda retten können, aber nun saß er selbst in der Patsche. Diese Situation traf ihn vollkommen unvorbereitet.
Träne hatte ihn durch den Waschraum aus der Zelle geführt, das war klar. Doch wo er ihn jetzt hinlotste war Leon schleierhaft. In die Piratenhöhle? Durch den Kanalschacht nach oben? Andere Wege gab es nicht, soweit Leon das Hauptquartier in Erinnerung hatte. Da hörte er, wie vor ihnen eine Tür geöffnet wurde. Vermutlich führten sie ihn also in diesen eigentümlichen Piratensaal, in dem sie ihre Beute aufbewahrten. Aber was hatten sie nur mit ihm vor?
»Hier stehen bleiben!«, befahl Träne.
Leon versuchte zu erraten, ob sich noch jemand in seiner Nähe befand. Träne – so hörte er an denSchritten – verließ den Raum wieder und schloss die Tür hinter sich.
»Hallo?«, rief Leon. »Ist da jemand?«
Keine Antwort. Das musste nichts bedeuten. Er wartete kurz ab, neigte leicht den Kopf und lauschte. Aber er konnte kein Geräusch wahrnehmen.
Entsprechend schrak er zusammen, als sich plötzlich eine Hand auf seine Schulter legte und ihn voranstieß. Leon stolperte vorwärts. Dann hörte er ein kurzes Piepsen wie von einer Funkfernbedienung, gefolgt von einem surrenden Geräusch, als ob sich eine Schiebetür oder ein größeres Tor öffnete. Erneut erhielt er einen Stoß in den Rücken.
Er fühlte, dass er einen neuen Raum betreten hatte. Hier roch es anders. Es war kühler. Und der Hall seiner Schritte veränderte sich. Außerdem nahm er nun Geräusche wahr. Es surrte, blubberte, piepste, gurgelte und brummte.
Wo war er bloß?
Die Hände auf seiner Schulter drückten ihn hinunter, bis er saß. Die Person, die mit Sicherheit nicht Träne war, entfernte sich, ohne ein einziges Wort
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