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Die Unermesslichkeit

Die Unermesslichkeit

Titel: Die Unermesslichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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festhing, und zog dann einmal kräftig, damit er aufs Deck fiel. Lachs rings um seine Füße, silbrig und japsend, hüpfend und rutschend in ihrem eigenen Schaum aus Schleim, Blut und Meerwasser.
    In die Seitenwannen!, brüllte Mark. Motor und hydraulische Winsch machten zusammen einen beträchtlichen Krach.
    Carl packte die Fische und fing an zu werfen. Dochsie entglitten ihm, oder er warf zu tief, die Lachse prallten an den Außenwänden der Wannen ab und glitschten zurück, dann rutschte er aus und fiel auf sie.
    Mark packte ihn am Schlafittchen und hob ihn auf die Beine. Pack sie an den Kiemen!, brüllte er. Und geh mir aus dem Weg.
    Carl trat ein paar Schritte beiseite und griff die Kiemen, was einfacher war, es sei denn, sie waren zu. Doch die meisten japsten, die dunkelroten Kiemen ausgestellt und lamelliert wie Algen. Der Rücken dunkler, grünlich blau wie das Meer, silbern an den Seiten, das in weiße Bäuche überging. Die Augen groß, ein irrender, verwunderter Blick. Carl warf, so schnell er konnte. Sie schnitten ihm in die Finger, etwas Scharfes da drin.

I rene und Gary luden behandelte Sperrholzplatten ins Boot. Das erste Mal seit dem Sturm, dass sie draußen war, vom Arztbesuch abgesehen. Verhangen heute, kalt mit leichtem Wind.
    Du bist die Sturmfee, sagte Gary. Düsterster Tag seit einer Woche. Bisher war’s ruhig und sonnig.
    Wenn ich Sturm bringen könnte, sähe der viel schlimmer aus, sagte Irene. Ganz Soldotna, getilgt von der Landkarte.
    Oho, sagte Gary, als er nach dem Werkzeugeimer und einigen Nägeln griff. Spar dir die Kräfte lieber fürs Hämmern. Wir müssen heute alle Platten legen. Er hatte gute Laune, merkte Irene. Er hatte gewonnen. Sie kam mit, um ihm bei seinem idiotischen Projekt zu helfen.
    Sie schwenkten die Bugplatte hoch, verriegelten sie und legten ab. Irene kauerte sich in Mantel und Hut, zog den Kopf in den Kragen und wandte sich vom Wind ab. Der Wind und die Kälte machten ihre Kopfschmerzen noch schlimmer. Sie schnäuzte sich, die Nasenspitze wund und aufgescheuert. Die Antibiotika und Schleimlöser schienen überhaupt nichts auszurichten. Aber ihr ging es gut, laut Arzt und allen anderen. Alles in Ordnung. Bloß eine kleine Erkältung. Als Gary nicht hinsah, warf sie zwei Tramadol ein.
    Sie fuhren mit dem vergleichsweise leichten Bootbeinahe auf den Strand, nahmen die großen Spanplatten und trugen sie durchs Gesträuch. Wind, der sich in den Platten fing, Irene bemüht, nicht zu stolpern. Mücken, die sie in Hals und Gesicht stachen, weil sie keine freie Hand hatte. Sie hätte gern ein wenig geklagt, aber wozu? Sie hätte ja doch nur den üblichen Sermon von Gary bekommen – den Was-dich-nicht-umbringt-Sermon oder den Ich-brauche-Hilfe-Sermon oder, noch schlimmer, den großen Lügensermon, dass die Hütte für sie beide da sei. Irgendwann wäre die Hütte wahrscheinlich ganz und gar auf ihrem Mist gewachsen.
    Gary hatte den Boden abgesteckt. Schmale Pfosten in die Erde gerammt, Querbalken, alles verstrebt. Nicht vollständig plan oder gleichmäßig, aber es sah stabiler aus als erwartet.
    Das sieht ziemlich gut aus, sagte sie. Du warst fleißig.
    Danke. Mir ist klar geworden, dass etwas auf den Boden muss. Und die Ecken habe ich sorgfältig im rechten Winkel angelegt, also sollten die Spanplatten passen, hoffentlich.
    Wie werden die Wände damit verbunden?
    Gar nicht, glaube ich. Nur miteinander an den Ecken, und wir versuchen, sie genau einzupassen.
    Okay, sagte sie.
    Also ließen sie die Spanplatten aufs Podest fallen, legten sie sorgfältig auf Kante und nagelten sie an die Querbalken. Irene spürte jeden Hammerschlag, selbst mit den frischen Tramadols. Sie konnte nicht atmen, und der Schmerz trieb ihr Tränen in die Augen, aber sie wischte sie weg und schwieg.
    Der Wind nahm natürlich zu, einfach um Hallo zu sagen und sie willkommen zu heißen. Die Sonne verschwand hinter dichteren Wolkendecken. Aber es regnete nicht.
    Nur sechs Spanplatten, ein kleines Podest, vier mal fünf Meter, daher dauerte das Hämmern nicht so lange. Sie traten zurück, um ihr Werk zu betrachten.
    Es ist sehr klein, sagte Irene.
    Ja, sagte er. Nichts Überflüssiges. Bloß eine Hütte. Nur das Nötigste.
    Ich glaube, wir benötigen mehr. Wenn du willst, dass ich hier draußen wohne, richtig wohne, dann brauchen wir Platz für ein Bett, eine Küche, ein Bad und vielleicht einfach ein bisschen Raum, um uns zu bewegen. Und zum Sitzen.
    Vier mal fünf ist eigentlich ziemlich groß, sagte

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