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Die Unermesslichkeit

Die Unermesslichkeit

Titel: Die Unermesslichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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Unerwartet.
    Ich werde sie nicht zu Jeans tragen.
    Dann wurde es Zeit, eine Krawatte zu suchen. Sie hatten nur noch zwanzig Minuten bis zur Rundfahrt, aber sie fanden einen Laden, der Krawatten mit Lachs und Heilbutt und Königskrabben und Fischerbooten hatte und auch noch einige konventionellere. Monique wählte eine schlichte dunkelblaue aus Seide.
    Wir müssen uns beeilen, sagte Jim.
    Haben sie noch eine spätere Rundfahrt?, fragte Monique.
    Sie buchten auf vier Uhr um, was ihnen zwei Stunden gewährte. Auf dem Weg ins Hotelzimmer nahm Monique Jims Hand. Sie sagten nichts. Jim hatte Angst zu reden, hatte Angst, es jetzt mit irgendwas zu versauen.
    Geh mal eben duschen, sagte Monique, und Jim tat wie geheißen. Als er mit einem Handtuch um die Hüftezurückkam, taxierte sie ihn. Du hast ein Muffinhäubchen, sagte sie.
    Muffinhäubchen?
    Bloß im Ansatz. Sie lächelte. Nicht beleidigt sein.
    Aber was ist ein Muffinhäubchen?
    Dieser kleine Wabbel an deinem Bauch, der dir überm Gürtel hängt. Der hat so einen komischen Winkel.
    Hm, sagte er.
    Ist schon okay, sagte sie. Mit Muffinhäubchen habe ich noch keine Erfahrung, aber das wird schon.
    Dann ging Monique duschen, und Jim legte sich aufs Bett; er fühlte sich alt und abstoßend. Muffinhäubchen. Wenn du auch nur eine Spur Selbstachtung hättest, sagte er laut zu sich, würdest du auf der Stelle gehen. Er schlug das Handtuch zurück, und da hing sein schlaffer kleiner Penis wie das nächste Ding, über das man sich lustig machen konnte. Sie würde ihn aufziehen und auslachen. Sonst nichts.
    Jim stöhnte und beschloss, unter die Decke zu kriechen. Er würde sich verstecken. Er warf das Handtuch über einen Stuhl und machte es sich bequem, legte sich auf beide Kissen.
    Monique drehte das Wasser ab, und danach war lange gar nichts. Jim dachte an Rhoda, mit schlechtem Gewissen, weil er dabei war, sie zu betrügen. Es war jetzt unausweichlich. Alles bis zu diesem Augenblick konnte man vielleicht noch abtun, aber nicht nach diesem Augenblick.
    Und dann erschien Monique, kam langsam auf ihn zu, mit Krawatte und High Heels und sonst nichts.
    Sie war sehr groß, besonders in den Schuhen, und sie hatte diese schlanke Fasson, die es nur in jungen Jahren gibt, die geschmeidigen Linien von Rippen und Schlüsselbein, Bauch und Schenkeln. Ihr Haar war noch nass, ihr Gesicht kantig.
    Ich habe mich für dich rasiert, sagte sie.
    Sie war vollkommen glatt. Sie trat an seine Seite des Bettes, drehte sich langsam um, beugte sich in ihren Stöckeln vor, dass die Krawatte herunterhing und ihre jungen Brüste, und sah ihn durch die Beine an.
    Keine Spielchen mehr, sagte sie. Jetzt kannst du haben, was immer du willst.

M ark hatte Carl auf sein Boot eingeladen. Aus Mitleid, denn ohne Monique blies Carl Trübsal. Sie hatte sich irgendwohin abgesetzt.
    Also wartete Carl, eine Plastiktüte mit Bagels und Gemüsebratlingen in der Hand, zitternd in seinem Regenzeug um halb vier Uhr morgens unter einer trüben gelben Laterne am Ende des Piers der Pacific Salmon Fisheries. Er betrachtete paarweise ankernde Boote in der Fahrrinne des Kenai River. Die Boote und das Wasser lagen fünf Meter unter ihm, der Fluss von schlammigen Ufern gesäumt. Er sollte zu Marks Boot kommen und an Bord gehen. Mark und die Besitzerin waren schon abends gekommen und hatten dort geschlafen. Nur hatte Mark unterschlagen, wie Carl zu dem Boot gelangen, geschweige denn das richtige finden sollte. Das Boot hieß Slippery Jay, aber wo es lag, wusste Carl nicht.
    Also stand er noch zwanzig Minuten unter der Pierlaterne, bis einige Boote in der Fahrrinne ihre Kajütenlichter anschalteten und einige ihre Dieselmotoren anwarfen und im Leerlauf ließen. Ein Aluminiumboot, eine Art Tender zum Ausladen von Lachs, nach den drei großen Aluminiumwannen zu schließen, kam vom oberen Flussende. Es war etwa sieben Meter lang mit einem riesigen Außenborder, 200 PS, und preschte richtigdurchs Wasser, wobei es leuchtend weißes Kielwasser hinter sich her zog, das gegen die ankernden Boote schlug und sie zum Schaukeln brachte. Gerade hellte der Himmel am Horizont unter Nieselwolken auf, und Carl hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Er konnte ja schlecht reinspringen und schwimmen. Er würde hier zurückbleiben. Er würde den Tag im Nieselregen auf dem Pier verbringen, mittags seine Gemüsebratlinge essen und schließlich zum Campingplatz zurücklaufen oder trampen.
    Dann kam eine junge indisch-amerikanische Frau in Fischerstiefeln und

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