Die Unermesslichkeit
Treibnetzkuttern, mindestens fünfzig Boote, die meisten in eine ähnliche Richtung unterwegs, einige allerdings nördlich in andere Teile der Bucht.
Wie viele Boote gibt es hier draußen?, fragte er.
Im Cook Inlet? Knapp sechshundert wahrscheinlich, und die meisten sind heute draußen. Hast du schon mal ein Boot gesteuert?
Kleine Außenborder, Kanus und so Zeug.
Na, dann übernimm du das Ruder, sagte Dora und stand auf. Siehst du den Kompass? Bleib zwischen dieser und der Markierung, sagte sie und zeigte darauf. Das Ruder ist ein bisschen schwerfällig, also nicht übersteuern. Ich geh ein bisschen runter.
Okay, sagte Carl. Danke.
Dora ging nach unten, und Carl behielt Kompass und Horizont im Auge. Er blieb nicht auf einem geraden Kurs. Er fuhr zu weit in eine Richtung, steuerte gegen, fuhr zu weit in die andere Richtung, korrigierte wieder. Ständig am Kurbeln. Die Wellen nur träge kleine Wirbel, die Oberfläche glatt und der einzige Luftstrom der eigene Fahrtwind, er hatte hoch oben gute Sicht und den Bug unter sich, also hätte es einfach sein müssen, aber es schien irgendeine Strömung zu geben dort unten. Die ganze Bucht fühlte sich an wie ein Fluss. Außerdem achtete er auf die Baumstämme, über die er doch wohl auch nicht fahren sollte.
Kommst du zurecht da oben?, rief Mark nach einer Weile durch die Luke.
Klar, sagte Carl.
Schön. Gib einfach ein bisschen Spiel. Dann war Carl wieder auf sich gestellt, ziemlich lange. Er fragte sich, ob er noch in die richtige Richtung fuhr, und fragte sich, ob die beiden ein Nickerchen machten. Es schien sonst nichts zu geben. Vielleicht spielten sie Karten.
Fast zwei Stunden vergingen, bevor Mark auftauchte. Er trug die untere Hälfte seines Regenzeugs, mit Hosenträgern. Dunkelgrün wie das der Frau und dazu die gleichen dunklen Gummistiefel.
Mark zeigte nach rechts und in etwa geradeaus. Speier, sagte er.
Was?, fragte Carl.
Speier. Hobbyangler. Das Kajütboot, das da driftet, wobei sie wahrscheinlich meinen, dass sie stehen. Fischen auf Heilbutt.
Netter Name, sagte Carl. Werden die von allen so genannt? Wenn ich hier wohnen würde und meine Angel auswerfe, wäre ich dann auch ein Speier?
Mark schmunzelte. Kannst du kochen?
Klar.
Machst du uns Frühstück?
Als sie endlich die Fischgründe erreichten, stand Carl also unten in der Küche und schlug Eier auf. Aus irgendeinem Grund hatten sie gehalten, waren weitergefahren, hatten wieder gehalten, dann hin- und hergerufen, und Carl hatte flüchtig gesehen, wie Mark hinten auf dem Deck das Netz ausbrachte. Das Boot schaukelte beträchtlich hin und her, viel stärker, als die Wellen hätten vermuten lassen, also konnte Carl nicht mehr als einen flüchtigen Blick riskieren.
Mark wollte Rührei aus allen zwölf Eiern, und die einzige Schüssel war klein. Während Carl sich gegen eine der Anrichten stemmte, um nicht auf den Ofen zu fallen, versuchte er, die mit Eiern gefüllte Schale in der Luft zu halten und mit der anderen Hand, soweit es ging, die Masse zu schlagen.
Dann fiel ihm ein, dass er erst den Speck braten musste, also balancierte er die Schüssel, während er sich zum kleinen Kühlschrank hinunterbeugte, um den Speck herauszuholen.
Carl riss die Packung mit den Zähnen auf und ließ sie dann auf die Anrichte fallen, wo sie hin und her rutschte, solange er eine Pfanne suchte. Auf einmal ruckte das Boot heftig, und er stieß mit dem Kopf an einen Schrank. Ein Teil der Rühreimasse schwappte gelb undseimig auf seine Jeans, wo sie langsam abwärtsrann und einsickerte.
Hübsch, sagte Carl über dem Röhren des Dieselmotors. Er hielt sich mit der freien Hand den Hinterkopf, während er die verbliebene Eimasse betrachtete und weiter balancierte.
Als Carl endlich eine Pfanne auf den Herd gestellt, die Platte angemacht und einige Speckscheiben in die Pfanne gelegt hatte, steckte Mark den Kopf zur Kajüte herein und brüllte, komm hoch. Ich brauch dich zum Fischesammeln. Dann war er weg.
Carl stand einen Augenblick wankend da und überlegte, was er tun sollte. Dann schüttete er die Eier mit dem rohen Speck in die Pfanne, stellte das Gas ab und stiefelte an Deck.
Gott, sagte er. Die Lachse waren überall, auf dem ganzen Deck verstreut, einige wurden sogar mit dem Netz auf die Winsch gerollt.
Hier rüber!, brüllte Mark. Er stand zwischen Winsch und Heck und sammelte Lachse ein. Das sah nicht leicht aus. Wenn das Netz über die Kante kam, pulte er einen Lachs heraus, bis der nur noch mit den Kiemen
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