Die Unermesslichkeit
Hammer, sagte er. Von drinnen.
Was ist mit dem Blech?
Halte ich. Hol einfach den Hammer.
Irene stieg vom Tritt, ging schnell herum, reichte ihm den Hammer und kehrte auf ihren Posten zurück. Gary schob das Blech zurecht, sie hielt es mit dem Bootshaken, und er hämmerte.
Okay, sagte er. Wir haben ein Dach. Dann sah er sich um. Nicht sicher, wie ich runterkommen soll, sagte er.
Ich geh aus dem Weg, sagte Irene und stieg von ihrem Tritt.
Nichts zum Festhalten, sagte er. Aber bei der Schräge sollte ich mich eigentlich von der Rückseite runterhangeln können. Geh rum mit dem Licht. Wir müssen eine sichere Stelle zum Runterspringen finden.
Irene lief schnell herum, leuchtete mit der Lampe die gesamte Rückseite ab, schob einen Berg Müllsäckebeiseite und fand einen Moosflecken, der weich schien. Das sieht gut aus, sagte sie. Hier ist Moos.
Okay, bleib mit der Lampe drauf. Er glitt hinten herunter und sprang einen Meter, ohne große Mühe.
Verrammeln wir das Fenster, sagte er, damit der Wind nicht reinkommt. Die Hintertür können wir erst mal lassen.
Verbringen wir die Nacht hier drin?
Ja, natürlich.
Mit all den Ritzen? Der Wind und der Schnee kommen doch bestimmt rein, oder?
Es ist nicht vollkommen.
Warum nicht noch eine Nacht in den Zelten?
Warum bist du so?
Wie denn?
Nimm die Lampe aus meinem Gesicht, sagte er und schlug sie weg. Und tu nicht so, als wüsstest du nicht, was du da tust.
Ich habe dir geholfen, sagte sie. Den ganzen Tag und jetzt noch in die Nacht hinein.
Du hilfst, aber du gibst mir auch zu verstehen, alle paar Tage, was du von mir hältst, wie ich dein Leben zerstört habe, dich von allen abgeschnitten habe. Wird also vielleicht mal Zeit, dass ich dir sage, was ich von dir halte.
Hör auf, Gary. Nicht.
Nein. Ich geb’s dir, wie du es mir gegeben hast.
Gary, ich gebe mir Mühe. Ich baue im Dunkeln deine Hütte. Ich habe seit dem Haferbrei heute Morgen nichts gegessen.
Meine Hütte, sagte Gary. Siehst du? Genau das meine ich. Unser ganzes Leben meine beschissene Schuld. Nicht deine Entscheidung. Nicht deine Schuld, dass du keine Freunde hast. Du bist eine Außenseiterin. Darum hast du keine Freunde.
Hör auf, Gary. Bitte.
Nein, ich glaube, das gefällt mir gerade. Ich glaube, ich mache jetzt genau so weiter.
Irene fing an zu weinen. Sie wollte nicht, aber sie konnte nicht anders.
Heul dir doch die Augen aus, sagte er. Wenn du nicht wärst, ich wäre hier längst weggegangen. Ich wäre vielleicht sogar endlich Professor geworden. Aber du wolltest ja Kinder, und dann musste ich die Kinder ernähren und Zimmer anbauen. Ich war in einem Leben gefangen, das mir eigentlich gar nicht entspricht. Boote bauen und angeln. Ich habe an einer Dissertation gesessen. Einer Dissertation. Das war meine Bestimmung.
Diese Ungerechtigkeit war zu viel für Irene. Sie konnte nicht sprechen. Sie kniete sich auf den Boden und weinte.
Elend sucht Gesellschaft, sagte er. Und du wolltest mich einfach nur mit runterziehen. Du bist eine fiese alte Hexe. Du sagst es nicht, aber du denkst es, ständig am Kritteln. Gary weiß nicht, was er tut. Gary hat keinen Plan, hat es nicht zu Ende gedacht. Immer ein bisschen kritteln. Eine fiese alte Hexe.
Du bist ein Monster, sagte sie.
Siehst du? Ich bin ein Monster. Ein Scheißmonster.
D as Satellitentelefon kam am Nachmittag per UPS. Ein gelber Pelicase, wasserdicht, das Telefon darin fest in Schaumstoff verpackt. Netzkabel für Wechselstrom und Gleichstrom und ein Packen Adapter für jeden Ort der Welt. Etwas, das sich nur Jim leisten konnte. Wenig zu tun bei der Arbeit, also saß Rhoda an ihrem Schreibtisch, las die Gebrauchsanweisung und schloss das Telefon zum Aufladen an. Sie hatte bereits zwei Golf-Car-Batterien gekauft, damit ihre Mutter sie mit dem Gleichstrom-Anschluss wieder aufladen konnte.
Um fünf machte sie Feierabend und fuhr nach Hause. Ein komplettes Hochzeitsplanungs-Paket vom Kauai Resort war ebenfalls heute angekommen, auf das Auspacken freute sie sich. Sie würde mit Jim auf der Couch sitzen und alles sichten.
Als sie zu Hause ankam, war Jim allerdings schon beim Sport und joggte auf seinem Crosstrainer.
Hiya, sagte er zwischen zwei Schnaufern. Er redete jetzt anders, schmissiger. Hiya und pronto. Sie wusste nicht, was vor sich ging. Er hatte eine neue Rezeptionistin, und die redete so, vielleicht färbte das ab.
Rhoda stellte den Pelicase auf die Bar und das Hochzeitspaket dazu. Sie konnte ebenso gut mit dem Essen anfangen. Seine
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