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Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Titel: Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Smith
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und lächelte.
     
    Ich bekam den Job bei Corey und war heilfroh. Doch damals stand ja auch noch das Rhodes-Stipendium im Raum.
    Ich hatte mich im September schriftlich beworben – kurz vor meinen Gesprächen mit Corey und Daffey. Danach erfuhr ich, dass ich in die zweite Runde gekommen war, die sogenannte Staatsrunde. Dafür musste ich im November zu einer zweitägigen Evaluierung nach Johannesburg fliegen. Bei dieser Gelegenheit wollte ich auch meiner Familie einen Frühlingsbesuch abstatten. (Ich lebte schon so lange in den Staaten, dass ich mir bewusst machen musste, dass in Südafrika im November Frühling war.) Trotz der verhörartigen Atmosphäre bei meinem offiziellen Bewerbungsgespräch mit dem Auswahlgremium, das an einem großen ovalen Tisch stattfand – mit mir auf der einen Seite und der achtköpfigen Jury auf der anderen –, bewahrte ich die Ruhe. Im Anschluss wurde mir mitgeteilt, dass ich einer der drei Kandidaten aus Johannesburg war, die in die Endausscheidung kamen.
    Anfang Dezember flog ich (auf eigene Kosten) zu den abschließenden Gesprächen nach Kapstadt. Sie wurden von etlichen Größen der südafrikanischen Gesellschaft geführt: dem Vorsitzenden Richter des Obersten Gerichtshofs und den Geschäftsführern von einigen der größten Unternehmen des Landes. Vom ersten Moment an hatte ich den Eindruck, dass meine Antworten nicht gut ankamen. Ich stieß auf eine Mauer der Skepsis. Der Grund war, dass ich ihnen zu amerikafreundlich war.
    Die Gespräche fanden im Vorfeld des US-Einmarsches im Irak statt, und ich spürte sofort, dass sämtliche Rhodes-Juroren und insbesondere der Oberste Richter die Reaktion der Vereinigten Staaten auf die Anschläge vom 11. September kritisch bewerteten. Sie interpretierten Amerikas Verhalten einhellig als gefährliches Säbelrasseln. Schlimmer noch, sie sahen dahinter die klare Absicht, tatsächlich zu den Waffen zu greifen. Sie betrachteten Amerika als imperialistische Macht, vergleichbar mit dem alten Rom, die außenpolitisch auf Kolonisierung ausgerichtet war. Das sagte mir einer der Gesprächsteilnehmer am Tisch auf den Kopf zu.
    Ich widersprach – und zwar leidenschaftlich. Ich hatte den 11. September selbst miterlebt. Ich hatte Schrecken und Leid am eigenen Leib erfahren. Die USA mussten die Urheber aufspüren und bestrafen. Wie konnte die Jury von einem verständlichen Wunsch nach Gerechtigkeit auf imperialistische Machtgelüste schließen? Ich stand zu meiner Liebe zu Amerika. Das Land war keinesfalls vollkommen, doch es war ein Land voller Optimismus und voller Möglichkeiten, was man nicht von vielen Ländern auf der Welt behaupten konnte. Mir war es dort gut ergangen, an der Uni und im Beruf, und dafür war ich dankbar.
    Die Jurymitglieder warfen sich verkniffene Blicke zu. Am Ende (wie der Direktor meiner High School von mehreren Juryangehörigen erfuhr) hatte ich sie zu sehr gegen mich aufgebracht. Vier von zehn südafrikanischen Bewerbern wurden als Rhodes-Stipendiaten ausgewählt. Ich gehörte nicht dazu.
    Das war eine Riesenenttäuschung. Dabei neigte ich aber grundsätzlich zu der Auffassung – vielleicht wegen meiner jüdischen Erziehung –, dass nichts ohne Grund passiert. Immerhin hatte ich eine wichtige neue Aufgabe, und ich war bereit dafür. Am 16. Dezember 2002, fünf Tage nach meinem vierundzwanzigsten Geburtstag, begann ich, im neunundvierzigsten Stock im One New York Plaza für Corey Stevens zu arbeiten.
     
    Der Umzug vom achtundvierzigsten in den neunundvierzigsten Stock war zu vergleichen mit dem Aufstieg einer Triple-A-Mannschaft in die Major League beim Baseball. Wenn einem der achtundvierzigste wie ein Campingausflug nach Yosemite vorkam, dann war der neunundvierzigste, als würde man ohne Überlebensausrüstung – nur mit dem, was man am Leibe trug – im Amazonasdschungel ausgesetzt. Bei Emerging Markets Sales im achtundvierzigsten Stock hatte ich den Tag meist am Telefon zugebracht und mit institutionellen Kunden über Aktien gesprochen. Ich hatte viel zu tun gehabt, doch es war nicht hektisch zugegangen, denn meine Tätigkeit war nicht sehr transaktionslastig. In der Abteilung Emerging Markets Sales hatte ich zwei Bildschirme gehabt. An meinem neuen Platz, gleich neben Corey in der Abteilung Futures, standen vier Monitore. Ich hatte mir mehr Tempo gewünscht, und das bekam ich.
    Abgesehen von den vielen Computerbildschirmen erinnerte die neunundvierzigste Etage des One New York Plaza so gar nicht an das ebenso

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