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Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Titel: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milan Kundera
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sie in Tomas' Untreue sah: er sollte sie mitnehmen! Mitnehmen zu seinen Freundinnen! Vielleicht war das der Weg, ihren Körper wieder zum ersten und einzigen zu machen. Ihr Körper würde zu seinem alter ego, zu seinem Adjutanten und Assistenten.
    »Ich werde sie für dich ausziehen, ich werde sie für dich in der Wanne baden und sie zu dir bringen ...«, flüsterte sie ihm zu, wenn sie aneinandergeschmiegt dalagen. Sie wollte mit ihm zu einem hermaphroditischen Wesen verschmelzen, und die Körper der anderen Frauen sollten zu ihrem gemeinsamen Spielzeug werden.
    20.
    Das alter ego in seinem polygamen Leben werden. Tomas wollte das nicht verstehen, sie aber konnte sich nicht von dieser Vorstellung lösen und versuchte, sich Sabina anzunähern. Sie schlug ihr vor, Portraitfotos von ihr zu machen.
    Sabina lud sie in ihr Atelier ein, und Teresa sah endlich den weiten Raum mit dem breiten Bett in der Mitte, das dort stand wie ein Podest.
    »Es ist eine Schande, daß du noch nie bei mir warst«, sagte Sabina und zeigte ihr die Bilder, die an der Wand lehnten. Sie kramte sogar eine alte Leinwand hervor, die sie noch als Studentin gemalt hatte. Darauf sah man Hochöfen im Bau.
    Sie hatte das Bild zu einer Zeit gemalt, da auf den Kunstschulen strengster Realismus gefordert wurde (nichtrealistische Kunst wurde damals als Untergrabung des Sozialismus angesehen), und Sabina, provoziert durch die Lust am Spiel, bemühte sich, noch strenger zu sein als die Professoren. Sie malte ihre Bilder so, daß kein Pinselstrich zu erkennen war und sie wie Farbfotografien aussahen.
    »Dieses Bild hier habe ich verdorben. Rote Farbe ist darübergelaufen. Erst war ich untröstlich, aber dann fing der Fleck an, mir zu gefallen, weil er wie ein Riß aussah. Als wäre die Baustelle keine wirkliche Baustelle, sondern eine brüchige Theaterdekoration mit aufgemalter Baustelle. Ich begann, an dem Riß herumzuspielen, ihn zu vergrößern und mir auszumalen, was man dahinter alles sehen könnte. So habe ich meinen ersten Zyklus gemalt, den ich >Kulissen< nannte.
    Selbstverständlich durfte niemand die Bilder sehen. Man hätte mich von der Schule geworfen. Vorne war immer eine vollkommen realistische Welt und dahinter, wie hinter der zerrissenen Leinwand eines Bühnenbildes, konnte man etwas anderes sehen, etwas Geheimnisvolles oder Abstraktes.«
    Sie verstummte und fügte dann hinzu: »Vorne war die verständliche Lüge und hinten die unverständliche Wahrheit.«
    Teresa hörte wieder mit dieser unglaublichen Aufmerksamkeit zu, die kaum je ein Professor auf den Gesichtern seiner Studenten sehen kann, und sie stellte fest, daß alle  Bilder Sabinas, die früheren wie die neuen, tatsächlich immer von demselben sprachen, daß sie alle ein Zusammentreffen zweier Themen, zweier Welten waren, wie doppelt belichtete Fotografien. Eine Landschaft, durch die das Licht einer Tischlampe schimmert. Eine Hand, die von hinten ein idyllisches Stilleben mit Äpfeln, Nüssen und einem Weihnachtsbaum mit brennenden Kerzen zerstört.
    Sie begann, Sabina zu bewundern, und da die Malerin sich sehr freundschaftlich verhielt, war diese Bewunderung weder von Angst noch von Mißtrauen begleitet und verwandelte sich in Sympathie.  Beinahe hätte sie vergessen, daß sie gekommen war, um zu fotografieren. Sabina mußte sie daran erinnern. Sie wandte sich von den Bildern ab und sah wieder das Bett, das wie ein Podest in der Mitte des Zimmers stand.
    21.
    Neben dem Bett stand ein Nachttisch und darauf eine Art Ständer in Form eines Kopfes, wie Friseure sie benutzen, um Perücken daraufzusetzen. Sabinas Perückenkopf trug jedoch keine Perücke, sondern eine Melone. Sabina lächelte: »Das ist die Melone von meinem Großvater.«
    Solche Hüte, schwarz, steif und rund, hatte Teresa bisher nur im Kino gesehen. Chaplin trug so einen. Sie lächelte, nahm die Melone in die Hand und schaute sie lange an.
    Dann sagte sie: »Möchtest du, daß ich dich damit fotografiere?«
    Sabina mußte über diese Frage lange lachen. Teresa legte die Melone weg, nahm ihren Apparat und begann zu fotografieren.
    Nach fast einer Stunde sagte sie auf einmal: »Soll ich dich nackt fotografieren?«
    »Nackt?« lachte Sabina.
    »Ja«, sagte Teresa tapfer.
    »Darauf müssen wir erst etwas trinken«, sagte Sabina und ging, um eine Flasche zu öffnen.
    Teresa fühlte eine Schwäche in ihrem Körper und schwieg, während Sabina mit dem Glas in der Hand auf und ab ging und über ihren Großvater plauderte, der

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