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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Weile zu bleiben.
    »Natürlich Herr Mansel. Haben Sie noch Aufträge für mich?«
    »Setzen Sie sich, Lüning.« Es war wieder dieser leise Hauch von süßlichem Weihrauch um ihn. »Ich will es verhältnismäßig kurz machen. Sie sind ein verheirateter Mann, Lüning. Was hat Sie dazu getrieben, Fräulein Altenberger näher zu treten?«
    Die selbstbewusste Haltung brach augenblicklich zusammen, doch gleich darauf reckte sich der Sekretär wieder, murmelte undeutlich etwas und sagte dann: »Ich kenne kein Fräulein Altenberger.«
    »Erstaunlicherweise kennt sie Sie aber. Da sie seit Kurzem die Zofe meiner Frau ist, haben wir eine ziemlich eindeutige Beschreibung des Karl Schmitz erhalten, der sie zu einem höchst absonderlichen Zeitvertreib verführt hat.«
    Lüning stand auf, aber Hendryk war schneller. Er hatte die Tür abgeschlossen und hielt den Schlüssel in der Hand.
    »Durch das Fenster sind es drei Stockwerke tief. Sie würden sich den Hals brechen«, bemerkte er kühl. »Und nun, Lüning, mit wem treffen Sie sich zu besagtem Zeitvertreib?«
    »Ich treffe mich mit niemandem.«
    »Doch, und zwar diesmal nicht mit den Rosenkranzlern, sondern mit gefährlicheren Leuten.«
    »Was unterstellen Sie mir eigentlich, Mansel?«

    »Für Sie noch immer Herr Mansel. So groß ist Ihre angenommene Macht noch nicht.«
    Sein Sekretär zuckte zusammen. Aber er blieb stumm.
    »Ihr Schweigen ist mir Eingeständnis genug. Ich verfüge über ausreichend Wissen, Sie wegen verschiedener damit im Zusammenhang stehender Verbrechen anzuzeigen, Lüning.«
    »Nichts haben Sie!«, trotzte der.
    »Lassen Sie es darauf ankommen?«
    Lünings Finger verschränkten sich wieder und wieder.
    »Sie verlassen morgen die Stadt, Lüning. Von mir bekommen Sie weder Zeugnis noch einen weiteren Pfennig Lohn. Wenn ich Sie noch einmal in Köln sehe oder höre, dass Sie sich hier aufhalten, werde ich Sie wegen der Mitgliedschaft an einer verbotenen Vereinigung festnehmen lassen. Geheimgesellschaften sehen unsere preußischen Machthaber nicht gerne - gleichgültig, welcher Couleur!«
    Es war ein Bluff, denn genau das konnte er nicht. Aber er schätzte den Mann vor sich richtig ein. Der war nämlich auf seine verschrobene, verklemmte Art voll und ganz davon überzeugt, ein todeswürdiges Verbrechen begangen zu haben. Die Worte der Macht, die man ihm sicherlich zugeflüstert hatte, waren ein zu schwacher Schild gegen eine offensive Drohung.
    Mit zusammengesunkenen Schultern stand er vor ihm und murmelte nur: »Meine Frau und die Kinder …«
    »Von denen wussten Sie schon, bevor Sie ein unschuldiges Mädchen vergewaltigt haben. Und nun raus hier, und danken Sie Gott, dass ich es bei dem verbalen Rauswurf belasse!«
    Als er fort war, riss Hendryk erst einmal das Fenster auf. Er brauchte Luft. Und er hoffte, er hatte richtig gehandelt. Es war verdammt gefährlich, jemandem zu verstehen zu geben, etwas von den perversen Riten dieses Ordens zu wissen.
     
    Er blieb anschließend noch eine Weile in seinem Büro, um anliegende Arbeiten zu erledigen, und nahm dann in einem Gasthaus das Abendessen ein. Bevor er Leonie wieder gegenübertrat, wollte er mit sich selbst im Reinen sein. Doch das war nicht so einfach, und daher wanderte er auch anschließend noch in der Dämmerung am Rheinufer entlang. Seine gesamte Planung war durcheinandergeraten,
und sein Vorgehen musste er neu überdenken. Jetzt spielte nicht nur sein Wunsch nach Vergeltung eine Rolle, sondern weit diffizilere Gefühle. Der Unteroffizier Bredow, der hinter ihm herschnüffelte, war eine Bedrohung, die sehr plötzlich akut werden konnte. Dieser Orden, der sich gebildet hatte, war eine noch größere. Er wusste, wozu diese Leute in der Lage waren, und er wusste, welche Gesinnung dahinter stand. Zu genau wusste er es, und kalte Angst umklammerte sein Herz, als der daran dachte, wie vertraut Leonie mit dieser Danwitz war. Die beiden, Lüning und sie, konnten, wenn sie ihr Wissen über ihn zusammentrugen, sein Leben, das der Kinder und seiner Frau gefährden.
    Wäre es richtig, jetzt zu fliehen?
    Er blieb stehen und beobachtete ein Ruderboot, das von Deutz herüberkam und das mondglänzende Rheinwasser durchschnitt.
    Zu fliehen - aber wohin? Ein anderes Land, eine neue Identität, das schmerzende Gewissen, den Mord an seinem Bruder nicht gerächt zu haben? Es gab keine Flucht. Es gab nur die Möglichkeit, sich den Herausforderungen zu stellen. Wenn er denn endlich genug Fakten zusammen hatte.
    Grimmig

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