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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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grinste ihm über seinem Bier zu.
    »Grrr!«, antwortete Hendryk mit gefletschten Zähnen. »Die Löwin natürlich. Sie will, dass ich meinen Sekretär häute.«
    »Nun, der Wunsch einer Dame ist uns doch Befehl, nicht wahr?«
    »Wenn du Leonie vorhin gehört hättest, würdest du ernsthaft daran zweifeln, dass es sich bei ihr um ein Wesen dieser Gattung handeln könnte.«
    »Niemals, Hendryk. Niemals. Du musst sie missverstanden haben.«
    »Wahrhaftig nicht. Und das Verdammte daran ist, sie ist vermutlich sogar im Recht. Höre.«
    Er berichtete in ebenso schonungslosen Worten, was er gehört hatte.
    Ernst nickte anschließend: »Dämonen mit Tierköpfen. Und dein Lüning mitten unter ihnen. Es gibt Situationen, da könnte auch ein Herr vergessen, ein Herr zu sein, Hendryk.«
    »Wem sagst du das! Wenn es stimmt, werde ich ihm Schlimmeres antun, als ihn nur zu häuten. Aber nicht sofort, das gebietet die Vorsicht. Darum bin ich zuerst zum Boxen gegangen.«
    »Immer überlegt und immer ganz kühl. Manchmal bewundere ich dich, mein Freund.«
    »Nicht immer. Vorhin habe ich Leonie angefahren, und sie hat die Tür zugedonnert. Es tut mir leid, sie aufgeregt zu haben. Aber ihre Reaktion war wirklich überzogen. Sie bewahrt üblicherweise auch in kritischen Situationen immer einwandfrei ihre Haltung.«
    »Sie ist eine Frau, und das Schicksal einer anderen Frau ist ihr nahegegangen. Hendryk, sie ist kein ganz so unbeschriebenes Blatt, wie du einst gedacht hast, nicht wahr?«
    »Nein, das ist sie nicht.«
    Peinlich berührt dachte er daran, wie falsch er sie eingeschätzt hatte, als es um Ursels Operation ging.
    »Sie hat mir einmal erzählt, sie habe mit ihrer Cousine in Bonn in dem Entbindungsheim für ledige Mütter mitgeholfen. Könnte es sein, dass sie sehr genau weiß, wovon sie spricht, Hendryk?«

    Hätte sein Freund ihm einen Kinnhaken verpasst, wäre er weniger getroffen worden.
    Natürlich.
    Sie wusste, wovon sie sprach.
    Sie hatte ein Kind geboren, und er hatte in seiner romantischen Verklärung einen ungetreuen Geliebten vermutet. Blöder Idiot, der er war.
    Hölle, Satan und alle Teufel, wenn der Mann noch irgendwo auf der Welt sein Leben fristete, der ihr das angetan hatte, er würde dafür bezahlen.
    »Hendryk, du planst einen Mord!«, flüsterte Ernst leise.
    »Ja. Leonie weiß, wovon sie spricht. Ich habe es gerade entdeckt. Aber bitte, Ernst, schweig darüber.«
    »Gott, du meinst, ihr ist auch Gewalt angetan worden.«
    »Ich bin mir ganz sicher. Es erklärt alles. Tatsächlich alles.«
    »Arme Leonie. Hendryk, hast du nicht schon einmal erwogen, ihr reinen Wein einzuschenken?«
    »Erwogen ja, aber die Lage ist zu ernst. Je weniger davon wissen, desto besser ist es. Ich will sie nicht in Gefahr bringen.«
    »Dann wäre es besser, du würdest sie fortschicken, denn an deiner Seite ist sie immer in Gefahr, ob sie es weiß oder nicht.«
    Hilflos schüttelte Hendryk seinen Kopf.
    »Das bringe ich nicht über mich. Nicht mehr, Ernst.«
    »Na, na, das hört sich ja an, als wärst du in deine eigene Frau verliebt.«
    Er merkte, wie die Röte in sein Gesicht stieg, aber er sah seinen Freund tapfer an.
    »Schade für dich, was?«
    »Ja, schade für mich. Aber ich werde auch an diesem gebrochenen Herzen nicht untergehen. Es freut mich für sie.«
    »Für sie?«
    »Ja. Ich habe mir bei ihr nämlich eine deutliche Abfuhr geholt. Und ich habe eine böse Ahnung, warum, mein Herr.«
    Diese Aussage verblüffte Hendryk auch wieder, und er murmelte ungläubig: »Ich habe ihr nie Anlass gegeben, derartige Gefühle zu entwickeln.«
    »Manch einer bekommt, was er nicht verdient. Andere, so wie
ich, bekommen weder etwas noch verdienen sie was. Ach, ich will nicht elegisch werden. Geh du zu und häute deinen Sekretär. Schade, dass ich nicht dabei sein kann.«
     
    Er traf seine Leute alle fleißig arbeitend im Büro an. Die letzten Tage war es auf der Baustelle friedlich gewesen, und sie hatten damit begonnen, die Pläne an die tatsächlichen Gegebenheiten der fertigen Strecke anzupassen. Er nahm sich die eingegangene Post, um sie an seinem Schreibtisch zu studieren, beobachtete aber seinen eifrig schreibenden Sekretär dabei vorsichtig. Er hatte eine ungewöhnlich selbstbewusste Haltung, die sich sehr von der unterwürfigen Attitüde unterschied, die er ansonsten an den Tag legte. Es war etwas geschehen, was, das galt es zu ergründen. Als die beiden Vermesser ihre Unterlagen zusammenräumten, bat er Lüning, doch noch eine

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