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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Frömmlertum mussten sie entschuldigen. Vermutlich wusste sie auch sehr wohl um die Zustände in Waisenheimen, und es war seine eigene Schuld, nicht bedacht zu haben, ihr ein paar aufklärende Worte zur Herkunft der Zwillinge zu sagen.
    Zwei Tage lang war das Klima zwischen ihnen von frostiger Höflichkeit
gewesen, auch wenn sie sich geziemend entschuldigt hatte, und er befand, es sei nun an ihm, das Eis zu tauen.
    So trat er dann am späten Nachmittag in den Wintergarten, wo Leonie über eine kleine Handarbeit gebeugt saß. Sie sah auf und schenkte ihm ein höflich kühles Lächeln.
    »Noch immer ein schöner Tag heute. Aber den Rhein hinauf ziehen Wolken auf. Ich denke, morgen wird es regnen«, sagte er, und sie nickte ernsthaft. »Deshalb habe ich mir erlaubt, Ihnen zum Trost diese Blümchen mitzubringen!«
    Er reichte ihr ein kleines Bouquet Veilchen in einer weißen Manschette, um das eine violette Schleife gebunden war.
    »Oh!« Ehrliches Erstaunen malte sich in ihren Zügen ab, und ein Aufleuchten ließ ihre Augen beinahe golden erscheinen. »Danke, Herr Mansel. Das war aber nicht nötig!«
    »Vielleicht doch, Madame!«
    Sie war aufgestanden und reichte ihm die Hand zum Dank. Er aber hob sie an seine Lippen und streifte sie leicht. Als er aufsah, verblüffte ihn die feine Röte auf ihren Wangen, und er fragte sich ernsthaft, ob er nicht soeben eine gefährliche Grenze überschritten hatte, der noch nicht einmal zu nahe zu kommen er sich geschworen hatte. Um die Situation zu überspielen, erkundigte er sich nach der Menüfolge für das Abendessen, über das ihm sein Weib gehorsam und ausführlich Auskunft gab.

Selmas Katze
    ES KOMMEN IM MENSCHLICHEN LEBEN SO MANCHE FÄLLE,
WO AUGENBLICKLICHE KLEINE HILFE UNS WOHLTAT IST, … -
ALSO VERNACHLÄSSIGE MAN SEINE NACHBARN NICHT,
WENN SIE DENN VON GESELLIGER,
WOHLWOLLENDER GEMÜTSART SIND.
    Freiherr von Knigge: Betragen gegen Hauswirte, Nachbarn und solche, die mit uns im selben Hause wohnen
     
     
    Das Veilchenbouquet hielt sich gut. Es stand in einer kleinen, bauchigen Porzellanvase, und hin und wieder betrachtete Leonie es. Die Reaktion ihres Gatten hatte sie in leichtes Erstaunen versetzt. Sie hatte geglaubt, seinen Unwillen nachhaltig erregt zu haben, und dann brachte er ihr Blumen - das sah fast wie eine Bitte um Verzeihung aus.
    Hendryk Mansel war ihr ein Rätsel. Sie waren inzwischen über zwei Wochen verheiratet, und er verhielt sich noch immer genauso distanziert wie in ihrer Verlobungszeit. Nicht dass sie auch nur einen Deut daran zu verändern wünschte. Sie hatten inzwischen für fast alle Dinge des Zusammenlebens Regeln gefunden, aber persönliche Gespräche führten sie nie. Auch die Frage des Gesellschaftslebens war weitgehend unbeantwortet geblieben. Hendryk Mansel schien tatsächlich keine Freunde oder Bekannte zu haben. Oder zumindest nicht solche, die er ihr vorzustellen wünschte. Am vorgestrigen Tag allerdings hatten der Oberbergamtsrat von Alfter und seine Gemahlin sie besucht, eine Ehre, die sie durchaus zu würdigen wusste, obwohl ihr der Herr ein wenig ungehobelt vorkam und die Dame sie sofort mit irgendwelchen Plätzchenrezepten, dem neuesten Klatsch und ihrer Begeisterung für das Vaudeville-Theater überschüttete. Immerhin hatten sie ihr die Möglichkeit angeboten, zusammen mit ihnen einige kulturelle Ereignisse zu besuchen, sollte ihr vielbeschäftigter Gatte keine Zeit finden, sie zu begleiten. Dankbar hatte sie das Angebot angenommen und den Besuch bei der Generalin von Lundt, einer Bekannten ihres Vaters, doch wieder verschoben.
Auch die Generalin war ein Türöffner zur besseren Gesellschaft, aber von recht schwierigem Charakter.
    Das angekündigte schlechte Wetter war eingetreten und hatte sich wieder verzogen, der Juni zeigte sich von seiner besten Seite. Wie häufig nachmittags hielt Leonie sich im Wintergarten an den geöffneten Fenstern auf, um eine feine Stickerei anzufertigen und dann und wann den Blick über den blühenden Garten schweifen zu lassen.
    Heute wurde die Idylle von einigen seltsam klagenden Lauten unterbrochen. Erst dachte Leonie, es handele sich um ein weinendes Kleinkind, aber dann hörte sie eine Frauenstimme rufen: »Miezi, Miezi, komm da runter!«
    Lächelnd erhob Leonie sich, um nachzusehen, was der kleinen Nachbarkatze so Schlimmes widerfahren war, dass sie so jämmerlich maunzen musste. Sie sah das Tierchen nicht, wohl aber die junge Frau, die im Haus nebenan wohnte, und die jetzt gerade unter dem

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