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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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umsehen!«
    »Selbstverständlich, Herr Mansel.«
    »Dann einen guten Abend!«
    So verabschiedet, erhob sich Lüning, doch die Schritte, mit denen er den Raum verließ, wirkten unsicher.
    Hendryk Mansel blieb noch einen Augenblick sitzen und resümierte seine Eindrücke. Die Symptome, die der Mann zeigte, waren
ihm nicht unbekannt. Gewisse Substanzen, im Übermaß genossen, führten zu Unaufmerksamkeit und Lethargie, verbunden mit Schlaflosigkeit und vermutlich auch Schuldbewusstsein, zu den körperlichen Anzeichen, die er bei ihm entdeckt hatte. Lüning war ein labiler Mann, das hatte er mit seinem Diebstahl und seinem missglückten Selbstmordversuch bewiesen. Allerdings hatte er sich in den zwei Monaten, die er nun bei ihm war, verantwortungsvoll gezeigt. War das nun ein Rückfall, oder hatte ihn ein weiteres Ereignis aus der Vergangenheit in einen Zustand versetzt, dem er mit Hilfe von Rauschmitteln zu entfliehen suchte?
    Ärgerlich schlug er einen Aktendeckel zu und stand auf. Es war vermutlich nicht seine beste Idee gewesen, einen solchen instabilen Charakter einzustellen.
    In nicht allerbester Laune machte er sich auf den Heimweg.
    Seine Gattin empfing ihn in gemäßigtem Ton, machte ihm aber keine Vorwürfe, dass die Essenszeit schon weit überschritten war, sondern ließ ihm etwas Suppe aufwärmen und eine Platte mit kaltem Braten bringen.
    »Ich hoffe, Ihr Aufenthalt in Aachen war erfolgreich.«
    »Danke, ja.«
    »Sie haben gewiss alte Bekannte getroffen.«
    »Arbeitskollegen, natürlich.«
    Ihre Stimme klang etwas skeptisch, als sie wiederholte: »Natürlich!«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ach, nichts, Herr Mansel.«
    Aber er kannte sie inzwischen genug, um nicht zu übersehen, dass sie irgendeinen Argwohn mit sich herum trug. Vermutlich hatten die Schnattergänse, mit denen sie sich so häufig traf, ihr etwas von den Versuchungen berichtet, die einem Mann auf Reisen begegnen konnten. Doch er würde ihr selbstverständlich nichts von dem gut geführten Haus berichten, das er dort aufgesucht hatte. Hier in Köln würde er aus Rücksicht ihr gegenüber eine solche Institution selbstverständlich nie betreten, aber Aachen lag weit genug entfernt, und, verdammt, es war doch nur ein Abend, und schließlich war er ein Mann, oder?
    Er sah in ihr stilles Gesicht und fühlte sich plötzlich irgendwie
schäbig. Darum griff er nach der Weinkaraffe und goss sich ein zweites Glas ein, das er mit wenigen Schlucken leerte. Seine Gemahlin saß mit ruhig im Schoß gefalteten Händen auf ihrem Stuhl am Tisch und sah durch ihn hindurch.
    Ja, natürlich, er benahm sich wieder wie ein Stoffel. Er riss sich zusammen und fragte: »Haben Sie sich denn in der Zwischenzeit erträglich unterhalten? Ich nehme an, Ernst hat sich um Sie gekümmert?«
    »Leutnant von Benningsen sprach einmal vor. Er brachte mir einen Liederband mit.«
    »Wie aufmerksam.«
    »Wäre es denkbar, ein Klavier zu mieten, Herr Mansel? Ich habe früher gerne musiziert.«
    »Ich denke darüber nach, Madame. Aber von musikalischen Soireen in diesem Haus bitte ich Sie Abstand zu nehmen.«
    »Natürlich.«
    »Mit Ihren Freundinnen haben Sie sich sicher auch zu interessanten Geselligkeiten getroffen, nehme ich an.«
    »Ja, in der Tat.« Sie lächelte leicht, und er freute sich, dass es ihm gelungen war, sie auf unverfänglichere Gebiete gelenkt zu haben als seine Kontakte in Aachen. »Stellen Sie sich vor, wir haben bei Frau von Danwitz eine Séance veranstaltet. Sie ist ein begabtes Medium, behauptet der Ritt…«
    » Was haben Sie getan? An einer okkulten Sitzung teilgenommen?«
    »Ja, aber es war ganz harmlos. Es sind keine Geister erschienen oder so etwas. Nur hat ein verstorbener Onkel aus ihrem Mund gesprochen, der Selma den Rat gegeben hat, ihre Schneiderin zu wechseln!«
    »Scharlatanerie, Madame. Übelste Scharlatanerie, und bei Gott nicht ungefährlich.«
    Der mühsam unterdrückte Ärger kam wieder in ihm hoch und richtete sich jetzt auf sein Weib, weswegen er die kleinen amüsierten Fältchen in ihren Augenwinkeln nicht beachtete, als sie einwandte: »Aber Herr Mansel, Selmas Schneiderin ist ein farbenblindes Huhn. Deshalb muss das Medium Recht haben.«
    »Madame, derartige Veranstaltungen gleichen einer Unterhaltung
von zwei Familienangehörigen, von denen einer schwerhörig und der andere schwachsinnig ist. Sie werden sie nicht wieder besuchen. Ich verbiete es Ihnen! Ihr Benehmen ist dem Verhalten einer Dame unwürdig!«
    »Sie pochen auf meinen

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