Die Ungehorsame Historischer Roman
fies, nicht?«
»Richtig fies. Wenn der mich anfassen täte, würde ich glatt in die
Lauge springen, um wieder sauber zu werden. Die Gnädige mag ihn auch nicht. Die hat ein ganz ekeliges Gesicht gemacht, als er ihr die Hand geküsst hat.«
Schlüssellochgucken bildete ungemein, fanden die beiden, wenn auch Jette anderer Meinung war. Sie hatte sie erwischt und ihnen einen scharfen Vortrag über Diskretion und Anstand gehalten. Aber Jette lauschte auch an Türen, wenn sie sich unbeobachtet fühlte, insofern nahmen die Zwillinge die Predigt nicht ganz ernst.
»Irgendwie würde ich mir das in dem Keller gern noch mal ansehen, Ursel.«
»Ich nicht. Es war schaurig. Wenn die uns erwischen!«
»Aber ich würde gerne wissen, was die machen. Und warum die Gnädige ein Buch mit Bildern von diesen Tiermenschen hat. Ob sie das mit dem Katzenkopf war?«
Ursel schüttelte vehement den Kopf.
»Nee, nicht die Gnädige. Das glaube ich nicht. Sie spricht anders. Und die Frau dort hätte die Katze getötet, weißt du! Aber die Gnädige schmust mit der Miezi von nebenan. Hab ich schon oft gesehen, wenn sie im Garten ist.«
Nena holte sich die Seifenflocken aus dem Napf, in den die Zwillinge sie gerieben hatten, und meinte: »Ihr könnt schon mal die Stärke anrühren, Kinder.«
Das war auch wieder mit Planschen verbunden und lenkte sie von der schaurigen Erinnerung ab. Während sie die Stärke mit Wasser in einem Eimer mischten, hörten sie Tilde murren: »Dieses Handtuch ist einfach nicht weiß zu kriegen. Möchte wissen, was das für Flecken sind.« Sie hob es hoch und hielt es gegen das Licht. »Man könnte meinen, darin hätte jemand frische Walnüsse verpackt. Hatte letztes Mal schon so ein verdorbenes Tuch. Das hat Jette dann wohl weggewor- fen, denn auf der Leine war es nicht mehr. Soll sie das doch gleich wegschmeißen, dann müssen wir uns nicht die Finger krumm schrubben daran.«
»Das ist aber nicht Jettes Tuch, das gehört dem Gnädigen!«, erklärte Lennard seiner Schwester, als die Wäscherin es wütend in das Seifenwasser warf. »Das benutzt er, wenn er sich die Haare wäscht.«
Ursel kicherte.
»Vielleicht färben die ab, wie die roten Bänder vorhin!«
»Er färbt sich die Haare. Mit so einer braunen Tinktur, wie sie auch die Frau von Meister Hennes verwendet hat.«
»Wirklich? Warum denn das?«
Lennard zuckte mit den Schultern.
»Wenn es ihm so gefällt?«
»Kommt, ihr zwei, helft mir, die Hemden zu stärken!«
Nena gab ihnen Anweisung, wie die Kleidungsstücke eingetaucht und ausgewrungen werden mussten. Die Arbeit war anstrengend, und die Unterhaltung fand ein Ende.
Sven und Edith
DAS WEIBLICHE GESCHLECHT BESITZT IN VIEL
HÖHEREM GRADE ALS WIR DIE GABE,
SEINE WAHREN GESINNUNGEN UND
EMPFINDUNGEN ZU VERBERGEN.
Freiherr von Knigge: Über den Umgang mit Frauenzimmern
Leonie hatte allen Grund, sich zu freuen. Nicht nur Edith und Sven waren eingetroffen und in die beiden Zimmerchen im dritten Stock gezogen, auch Gawrila hatte ihr neues Kleid geliefert, das sie sich anlässlich des Besuchs des preußischen Königs, Friedrich Wilhelm IV., hatte anfertigen lassen.
Als sie über den glänzenden Stoff strich, erinnerte sie sich mit großer Heiterkeit an ihre erste Begegnung mit Madame Gawrila. Es war schon eine denkwürdige Unterhaltung, die sie mit der Couturière geführt hatte, einer Russin, doch mit französischer Ausbildung. Selma hatte ihr eine andere Schneiderin empfohlen, Sonia von Danwitz auch, und beide Damen hatten sich abfällig über Gawrila geäußert, die ihr wiederum von Camilla genannt worden war. Das forderte Leonies heimlichen Hang zum Widerspruch heraus. Sie hatte eine Andeutung Ernst von Benningsen gegenüber fallen lassen, der recht gut über den allgemeinen Klatsch informiert war, und der hatte lächelnd gemeint, die Russin könne es sich leisten, sich ihre Kundinnen selbst auszuwählen, möglicherweise waren ihre Freundinnen auf Ablehnung gestoßen.
»Aber versuchen Sie es auf jeden Fall bei ihr. Man sagt, ihre Kreationen seien spektakulär!«
Und dann hatte er sie zu dem versteckt liegenden Salon begleitet.
Madame Gawrila hatte sie tatsächlich empfangen. Sie war eine erstaunlich grobknochige Frau, was man aber erst auf den zweiten Blick bemerkte, denn ihre Haltung war gebieterisch, und ihr schlichtes schwarzes Kleid verlieh ihr eine königliche Würde. Sie schickte nach kurzer Musterung ihrer Besucher den Leutnant mit den Worten fort, er möge sich eine Stunde im
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