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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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gelobten Gehorsam, Herr Mansel?«
    »Ich bestehe darauf, Madame! Und wenn ich erfahre, dass Sie gegen meine Weisung verstoßen, wird das rigorose Folgen haben, merken Sie sich das! Und nun wünsche ich, in Ruhe die Zeitung zu lesen!«
    Er stand auf und begab sich in das Wohnzimmer, wobei er die Weinkaraffe mitnahm.
    Seine Gattin folgte ihm nicht, er hörte sie die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinaufgehen.
    Die Zeitung lag griffbereit auf dem Tisch, aber er nahm sie nicht hoch, sondern stürzte ein weiteres Glas des schweren, dunklen Weins hinunter und läutete dann nach Albert, damit er ihm eine zweite Karaffe brachte.
    Das Maß war voll. Für diesen Tag war wahrhaftig das Maß des Erträglichen voll. Rauschmittel bei Lüning, Séancen bei seiner Frau - zu sehen, wie die Leute, um die er sich nun mal zu kümmern hatte, in derartige Gefilde abglitten, ohne wirkungsvoll eingreifen zu können, verärgerte ihn unsäglich. Denn weder den Sekretär konnte er letztlich davon abhalten, sich zu ruinieren, noch gab es die angedrohten rigorosen Folgen für Leonora. Es gab nur furchtbare Erinnerungen, die ihn jetzt wieder übermannen wollten. Er ging aufgewühlt im Raum auf und ab und spürte dabei stärker als sonst den Schmerz in seinem rechten Fuß.
    Er musste etwas unternehmen, er musste endlich eine Handhabe finden, um die Geister der Vergangenheit zu bannen. Aber alles, was er bisher getan hatte, war fruchtlos geblieben oder dauerte unerträglich lange. Bisher hatte er Geduld gehabt, hatte Schritt für Schritt seinen Plan verfolgt, aber solche Vorkommnisse wie heute warfen ihn wieder zurück.
    Er setzte sich endlich nieder und trank ein weiteres Glas Wein.
    Er tat seiner Gattin Unrecht mit seinem Jähzorn, und das ärgerte ihn ebenfalls. Es gab zurzeit eine regelrechte Strömung in der Gesellschaft, sich mit übersinnlichen Phänomenen zu beschäftigen, hatte
er festgestellt. Allenthalben versammelten sich Zirkel, die Sterne deuteten, Karten legten und versuchten, die Geister Verstorbener anzurufen oder in abstrusen Ritualen möglichst exotische Mächte zu beschwören. Der Aberglaube blühte, sicher auch deswegen, weil die Kirche an Macht und Einfluss verloren und ihre Mysterien ihren Zauber eingebüßt hatten. Auch solche Versammlungen wie die Rosenkranzbruderschaften gehörten gewissermaßen zur gleichen Erscheinung. Ob Geisterglaube oder Heiligenverehrung, für ihn als Protestanten von Geburt und Erziehung glich sich beides. Nun, seine Frau, von Haus aus Katholikin, mochte ein gewisses Bedürfnis nach Wunderbarem haben und sich daher von der Geisterseherin Danwitz angezogen fühlen. Was die Schnattergänse da veranstalteten, waren mit Sicherheit einfältige Spielchen. Aber er hatte mit weitaus weniger harmlosen Spielarten des Okkulten Erfahrungen gesammelt, und seine Reaktion fußte auf diesen Erlebnissen.
    Sie verfolgten ihn noch immer in seinen Träumen, und deswegen leerte er auch die zweite Karaffe Burgunder bis zur Neige. Er war durchaus in der Lage, sich wie ein Herr zu betrinken, und nur unmerklich unsicheren Schrittes stieg er leise die Treppe hoch. Der Wein hatte ihm zu einer ausreichend tiefen Bettschwere verholfen, sodass er sicher sein konnte, sein Weib nicht wieder mit seinem unbotmäßig unruhigen Schlummer zu belästigen.

Waschtag
    O DU KINDERMUND, O DU KINDERMUND,
UNBEWUSSTER WEISHEIT KUND.
    Friedrich Rückert: Aus der Jugendzeit
     
     
    Ursel und Lennard planschten mit mehr Vergnügen als Effizienz an der Pumpe, um die Eimer mit Wasser zu füllen, die die beiden Waschfrauen dann in den Keller schleppten. Eigentlich wäre es ihr freier Nachmittag gewesen, aber einmal im Monat war Waschtag, und da hieß es für alle mit anpacken. Und Waschtag machte Spaß, vor allem an einem heißen Augustnachmittag. Nicht nur das spritzende Wasser, sondern auch die belauschten Gespräche der Wäscherinnen ergötzten sie. Die kommentierten nämlich, während die Zwillinge auf den Kellerstufen saßen und Seifenflocken rieben, höchst freimütig, was sie da so zwischen die Finger bekamen.
    »Scheint keine besonders leidenschaftliche Ehe zu sein!«, hatte die Nena festgestellt, als sie die Laken der Herrschaft aus der Lauge fischte und sie nach Flecken untersuchte, die es auf dem Waschbrett herauszurubbeln galt. Warum sie zu dem Schluss kam, verstand Ursel allerdings nicht.
    »Große Gesellschaften geben sie auch nicht!«, bemerkte Tilde, die ein Tischtuch inspizierte. »Na, macht nichts, wenn sie sich kein Vergnügen

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