Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
hatte. Mit etwas mehr Misstrauen hatte er allerdings ihr überschwängliches Interesse am Orient und vor allem an dieser dubiosen Ägypterin beobachtet. Es wäre ihm bei Weitem lieber, sie würde sich anderen Sujets widmen. Es gab Dinge aus seiner Vergan- genheit, die zu delikat waren, als dass er ihr erlauben konnte, ihnen zu nahe zu kommen. Andererseits bestürmte sie ihn natürlich nicht unablässig mit Fragen, sondern war mit den für sie wohl exotisch anmutenden Geschichtchen der Frau Jacobs zufrieden. Vor allem aber hatte sich ihr Verhalten den Kindern gegenüber verbessert. Dazu hatte er aber auch etwas beigetragen. Er hatte eingesehen, dass die Zwillinge mehr Freiraum brauchten, und die Regelung getroffen, sie dürften, solange keine dringenden Dienste gefordert waren, zwei Nachmittage in der Woche frei nehmen, an denen sie ihren eigenen Belustigungen nachgehen konnten. Er hatte außerdem verfügt, dass
die beiden ein bescheidenes Taschengeld erhielten. Es konnte nicht schaden, wenn sie den Umgang mit Geld rechtzeitig und verantwortungsvoll lernten.
    Der Zug verlangsamte seine Fahrt allmählich und durchfuhr mit einem Rumpeln das Tor in der Festungsmauer. Gleich würde er im Bahnhof am Thürmchenswall seine Endstation erreicht haben. Sein Gegenüber war offensichtlich wach geworden, zog sich das Tuch vom Gesicht und eine goldene Uhr aus der Tasche.
    »Pünktlich, nicht wahr?«
    »Ja, wir sind pünktlich eingetroffen.«
    »Teuflische Erfindung diese Bahn. Aber verdammt nützlich!«
    Die Herren setzten ihre Hüte auf und machten sich bereit, den Wagen zu verlassen. Auf Hendryk Mansel wartete einer seiner Angestellten mit dem Wagen und brachte ihn nach einer höflichen Begrüßung zunächst einmal zu seinen Geschäftsräumen. Hier herrschte eine angespannte Stimmung, musste er feststellen. Und die Ursache wurde dann auch recht bald klar, als einer der beiden Vermesser ein Gespräch unter vier Augen erbat. Es gab offensichtlich Unstimmigkeiten mit seinem Sekretär, der, entgegen seiner bisherigen Tüchtigkeit, in den vergangenen drei Tagen außerordentlich schlechte Arbeit geleistet hatte.
    »Alle Berichte mussten neu geschrieben werden, ein Messtischblatt hat er sogar verdorben, weshalb wir die Messungen wiederholen mussten. Herr Mansel, Sie müssen ihn zur Rede stellen. Ich will ihm ja nichts Nachteiliges unterstellen, aber mir will scheinen, als ob er manchmal nicht ganz nüchtern ist, der Lüning.«
    »Ich kümmere mich nachher darum. Jetzt berichten Sie mir erst einmal, ob es inzwischen endlich eine Einigung über den Standort des Bonner Bahnhofs gegeben hat. Wir müssen endlich belastbare Daten haben, um die Route korrekt vorzugeben.«
    Es gab noch keine Einigung, wie er erfuhr, aber eine Menge Spekulationen. Und als er endlich die aufgelaufene Post durchgesehen und seine Anweisungen für die nächsten Tage gegeben hatte, war es schon recht spät geworden. Er schickte die Vermesser nach Hause, bat aber Lüning, noch zu bleiben.
    Tatsächlich sah der Mann etwas ungesund aus. Er hatte gerötete Augen und eine graue Gesichtsfarbe.

    »Setzen Sie sich, Lüning! Wie geht es Ihrer Frau? Hat sie sich schon eingelebt?«
    »Danke, Herr Mansel. Sie kommt zurecht.«
    »Und Ihre Kinder?«
    »Sie machen keine Probleme.«
    »Was macht Ihnen denn ansonsten Schwierigkeiten?«
    »Nichts, Herr Mansel.«
    »Da bin ich mir nicht so ganz sicher. Sie haben bisher recht gute Arbeit geleistet, aber während meiner Abwesenheit haben sich einige Klagen ergeben. Sie wirken übermüdet, Lüning. Was ist passiert?«
    »Wirklich nichts, Herr Mansel.«
    »Ich will nicht weiter darauf beharren, Lüning. Aber ich erwarte korrekte Arbeit, keine Schlampereien. Wenn Ihre Gesundheit angegriffen ist, sagen Sie es mir, ich bin kein Unmensch. Sie können jederzeit zum Arzt gehen.«
    »Danke, aber ich bin gesund, Herr Mansel.«
    Doch den Eindruck hinterließ sein Sekretär immer weniger. So, wie er jetzt vor ihm saß, wirkte er sogar recht angeschlagen. Seine Hände zitterten, und kalter Schweiß stand auf seiner Stirn. Mit einem kritischen Blick beobachtete Mansel ihn.
    »Trinken Sie, Lüning?«
    Der fuhr zusammen.
    »Was? Gott, nein!«
    »Nehmen Sie irgendwelche starken Medikamente? Laudanum? Morphium?«
    Das Zittern wurde stärker, aber mit belegter Stimme verneinte Lüning auch das.
    »Nun gut, dann gehen Sie jetzt nach Hause. Ich erwarte einwandfreie Leistung von Ihnen, Lüning. Oder ich muss mich nach einem anderen Sekretär

Weitere Kostenlose Bücher