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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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schwarze Binde in einem einfachen Knoten unter dem umgelegten Hemdkragen. Er mochte nicht überwältigend modisch aussehen, doch er hatte seinem Kammerdiener einleuchtend erklärt, ein Mann, der im Feld zu arbeiten hatte, könne auf dererlei Schnickschnack gerne verzichten. Andererseits aber verlangte er blütenweiße, sehr ordentlich gebügelte Wäsche, und das war eben der problematische Punkt an diesem Tag. Ursel, die inzwischen für das Plätten der Leibwäsche zuständig war, hatte diesmal ziemlich viele Knitter hineingebügelt.
    »Was ist, Lennard?«
    Mansel trat hinter dem Paravent hervor, das Handtuch lose um den bloßen Oberkörper geworfen. »Hörte ich dich murren?«
    »Verzeihen Sie, gnädiger Herr, die Hemden sind nicht so gut geworden, wie Sie es verlangen.«
    »Man sieht es. Und wie kommt das?«
    »Es ist, weil Ursel so Bauchschmerzen hat.«
    »Habt ihr genascht?«
    »Nein, gnädiger Herr, die hat sie schon seit Tagen!«
    Mansel nahm das beanstandete Hemd und zog es über.
    »Dann wird die Weste die schlimmsten Falten verdecken müssen. Hat deine Schwester der gnädigen Frau gesagt, dass sie krank ist?«

    »Ja, und die hat sie zu Bett geschickt und ihr eine Medizin gegeben. Aber …«
    »Aber was, Lennard?«
    Der Junge druckste ein wenig herum, aber die Sorge um Ursel ließ ihn seine Beobachtung aussprechen.
    »Sie hat trotzdem schlimme Träume, gnädiger Herr!«
    »Ich kümmere mich darum, Lennard.«
    Hendryk Mansel stieg mit einem unguten Gefühl die Treppe zur Mansarde hoch und trat in das Zimmer ein, das den Kindern zugewiesen war. Das Mädchen lag unter einem dicken Plumeau, ein Krug mit Limonade stand auf dem Tisch und auch eine Schale mit Keksen und Zwieback. Nichts davon hatte sie jedoch angerührt. Als er näher trat, erschreckten ihn die Blässe und der feine Schweißfilm auf ihrer Haut.
    Vorsichtig ließ er sich auf der Bettkante nieder.
    »Ursel? Ursel!«
    Sie schlug die Augen auf, wirkte aber desorientiert.
    »Sie wollen mich holen. Der Mann mit dem Ziegenkopf und die Frau mit den Krallen, sie wollen mich holen. Sie haben ein Messer. Ein Messer! Und die Schlange, sie windet sich, sie will mich fesseln.«
    »Ursel, Kleine, wach auf!« Er strich ihr über die feuchte Stirn und sprach weiter auf sie ein. »Niemand will dich holen. Ich bin hier, ich beschütze dich, Kleine.«
    »Mama, ich will zu Mama!«
    »Ich weiß, Kleine, aber du bist jetzt bei mir und musst mir vertrauen, Ursel. Du bist ganz sicher hier!«
    Ihr Blick klärte sich etwas.
    »Gnädiger Herr!«
    »Du bist krank, Ursel. Und du hast Fieber. Tut dir etwas weh?«
    »Nicht mehr. Die Gnädige hat mir ein Mittel gegeben. Aber mir ist so komisch!«
    »Seit wann?«
    »Seit Freitag.«
    »Du hattest Bauchschmerzen?«
    »Ja, aber ich habe nicht genascht. Aber der Pfarrer wollt’s nicht glauben.«
    »Wollte er nicht?«

    »Nein!«
    Sie versteckte ihre Hände unter der Bettdecke. Mansel ahnte, was sie damit verbergen wollte.
    »Hat er dich geschlagen?«
    Ein winziges Nicken.
    »Weil du Bauchschmerzen hattest?«
    Wieder ein Nicken. Und dann zögerlich: »Weil mir so schlecht war!«
    Leise knirschte er mit den Zähnen. Es wurde dringend Zeit, sich um die Ausbildung der Kinder zu kümmern. Eigentlich wollte er sie dieses Schuljahr noch in der gewohnten Umgebung lernen lassen, aber das nahm inzwischen höchst bedenkliche Formen an. Aber Priorität hatte im Augenblick die Krankheit.
    »Ursel, ich werde den Doktor Jochum rufen lassen. Der wird uns sagen, was wir tun können, damit du wieder gesund wirst.«
    »Ja, gnädiger Herr. Danke!«
    Er streichelte ihre Haare und drückte ihr dann leicht die Hand.
    »Es wird alles gut, Kleine!«
    Sie schloss beruhigt die Augen.
     
    »Was um Himmels willen haben Sie dem Kind gegeben, Madame?«, fragte er kurz darauf Leonie, die an dem neuen Klavier saß, auf dem sie eben eine Sonate eingeübt hatte.
    »Am Freitag und am Wochenende je einen Löffel Laudanum. Aber es half nicht recht, darum habe ich mir von Selma das neue Medikament geben lassen, das so gut gegen Schmerzen wirken soll. Morphium, wissen Sie? Danwitz stellte es her. Es scheint ihr zu helfen.«
    Er hatte Mühe, seinen Zorn zu bändigen. Seine Frau konnte nicht wissen, was dieses Mittel sonst noch bewirkte.
    »Sie hätten mir früher Bescheid geben müssen. Ich habe nach dem Arzt geschickt.«
    »Ich hätte, wenn keine Besserung eingetreten wäre, morgen das Gleiche getan, Herr Mansel.«
    Edith, die mit einer Stickerei neben dem Kamin saß,

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