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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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zu uns, gnädiger Herr?«
    »Weil ich eben ein sehr gnädiger Herr bin, mein kleiner Freund. Hab noch ein bisschen Geduld, dann erkläre ich dir das alles. Auf jeden Fall aber habe ich vorhin noch in der Schule vorgesprochen und dem Pfarrer gesagt, dass ihr an seinem Unterricht nicht mehr teilnehmen werdet. Ich denke, wir finden eine andere Schule für euch. Und in der Zwischenzeit werdet ihr Lektionen von mir und Madame erhalten. Einverstanden?«
    Das lenkte Lennard so erfreulich ab, dass er nur mit großen Augen ein: »Oh!« von sich geben konnte.

Oktober 1837: Die Schlacht bei Constantine
    ICH ZAHLE DIR IN EINEM ANDERN LEBEN,
GIB DEINE JUGEND MIR!
    Schiller: Resignation
     
     
    Er hatte den Unteroffizier verflucht, lange und anhaltend, als er ihn zu dem derzeitigen Einsatz verdonnert hatte.
    Constantine.
    Gegen die Türken.
    Am Freitag, dem dreizehnten.
    Er hatte ihn verflucht, als er mit hundert weiteren Legionären der Zweiten Kolonne unter Bedeau gegen die Stadt marschierte.
    Er hatte ihn verflucht, als es morgens um halb vier hieß, zu den Waffen zu greifen.
    Er hatte nur noch um sein Leben gebangt, als sie vorgeschickt wurden, um unter hartem, feindlichem Beschuss die Mauern zu stürmen. Als sie mit Leitern den inneren Wall überwinden mussten, während die Musketenkugeln und die Granaten der Türken um sie herum einschlugen, hätte er sich vor Angst fast in die Hosen gemacht.
    Trotz allem war das Glück auf seiner Seite. Er hatte Soldaten neben sich zusammenbrechen sehen, ihr Blut war auf seine Kleider gespritzt, aber er war weitergelaufen. Durch schmale Gassen, von hölzernen Markisen überdachte, enge Mausefallen, in denen jeder Schütze auf den Dächern sie wie Hasen abschießen konnte. Er war über Leichen gestiegen, die der eigenen Männer und die der Einwohner. Er hatte die Weiber heulen und klagen gehört und die Alten beten sehen. Er hatte geschossen, mit dem Bajonett seinen Weg freigekämpft, einfach nur voran, so wie seine Kameraden. Irgendwann hatte er Spaß daran gefunden.
    Schließlich war er keuchend stehen geblieben, hatte in einer Nische Schutz gesucht und wieder den Unteroffizier Bredow verflucht. Es war seine Rache an ihm, dessen war er ganz sicher. Denn er hatte selbstverständlich dessen pikante Heimlichkeit ausgeplaudert,
die ihm das Tanzmädchen verraten hatte. Und nun war er vom Straßenbau zu einem mörderischen Kampfeinsatz beordert worden.
    Dass er in der Mauernische verschnaufte, rettete ihm das Leben. Ein ungeheurer Knall brachte ihn und die Männer neben sich in die Knie, und jemand kreischte: »Zurück, zurück, alles ist vermint!« Und ein paar Soldaten mit brennenden Kleidern und Haaren stürzten an ihm vorbei. Aber Bedeau, der Kommandant der Truppe, der sich ein Stück vor ihm aus dem Staub erhob, schwenkte seinen Säbel und brüllte: »Vorwärts! Vorwärts!«
    »Idiot«, knurrte der Legionär Mansel, aber seine Kameraden rissen ihn mit. Nur wenige Schritte indes, da entdeckten sie die Öffnung, die die Explosion in eine Wand gerissen hatte. Fünf Mann waren sie, und ohne große Absprache untereinander betraten sie das Haus.
    Als er sich in dem prachtvollen Raum umsah, verfluchte er den Unteroffizier nicht mehr.
    »Verdammt, das gehört einem der Reichen.«
    »Das kannst du laut sagen. Komm, wir holen ihn uns!«
    Sie stampften durch Gänge und Flure, doch den Besitzer fanden sie nicht. Hingegen entdeckten sie den Harem, und das war, wie Mansel befand, bei Weitem besser. Die Dienerschaft war schon lange geflohen, doch vier Frauen drückten sich ängstlich aneinander, als sie den mit Polstern und Kissen verschwenderisch ausgestatteten Raum betraten. Zwei waren schon älter, die beiden anderen fast noch Mädchen. Genau das war es, was sie nach den Schrecken und den blutigen Kämpfen brauchten. Dass sie schrien und versuchten, sich zu wehren, stachelte die blindwütige Lust der Männer nur noch an.
    Als sie mit den Frauen fertig waren, machten sie sich auf die Suche nach Wertgegenständen. Sie entdeckten die Weinvorräte und die Schatzkammer des Edelsteinhändlers. Halb trunken, mit den Taschen voller Smaragden und Rubinen, Saphiren und Opalen, kehrten sie noch einmal zum Harem zurück, um die völlig verängstigten Frauen zum zweiten Mal zu vergewaltigen. Doch es kam nicht dazu, denn wieder erschütterten Explosionen das Haus, und diesmal schrie einer: »Feuer! Verdammt, raus hier! Unsere eigenen Leute greifen uns an!«

    Dichte Qualmwolken quollen von unten den Gang hoch, und

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