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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Händel schloss, und Leonie hatte, wie viele der Besucher, Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Dann gab es wirklich noch ein Gedränge, denn auf dem Weg zur verhältnismäßig leeren Tribüne - die Eintrittspreise waren vielen zu hoch - mussten sie an dem Grundsteingerüst vorbei, und als sie ihre Plätze innehatten, warf sie einen bewundernden Blick in das Rund. Auf dem girlandengeschmückten Podest vor dem Seitenportal versammelte sich die Geistlichkeit um den Steinquader, auf dem der König den Grundstein behauen sollte. Farbenprächtige Fahnen knatterten im Wind, und bunte Wimpel schmückten den Ausleger des alten Kars hoch oben auf dem Südturm, an seiner Spitze aber breitete der preußische Adler seine Flügel aus. Gleich darauf begann der König auch schon seine Rede. Auch hier ergriff Leonie die Rührung, als er schloss: » Der Dom von Köln, das bitte ich vor Gott, rage über diese Stadt, rage über Deutschland, über Zeiten, reich an Menschenfrieden, reich an Gottesfrieden, bis ans Ende der Tage. Meine Herren von Köln! Ihre Stadt ist durch diesen Bau hoch bevorrechtet vor allen Städten Deutschlands, und sie selbst hat dies auf das Würdigste erkannt. Heute gebührt ihr dieses Selbstlob. Rufen Sie mit Mir, und unter diesem Rufe will ich die Hammerschläge auf den Grundstein tun, rufen Sie mit Mir das tausendjährige Lob der Stadt: Alaaf Köln! «
    Neben Leonie stand eine zierliche, sehr elegante Frau, die sich bei einem hochgewachsenen Herrn eingehängt hatte und sich fest auf die Unterlippe biss. Dennoch rollten ihr die Tränen über die Wangen, und der Herr beugte sich, ebenfalls tief bewegt, zu ihr.
    »Ich glaube, Toni, es wäre dem Domherrn, unserem Vater, eine unendliche Genugtuung, das zu sehen!«
    »Ja, Cornelius, wir haben es erreicht.«
    Dann gingen sie nach unten, um sich zu Boisseree, Metternich und dem Erzbischof Geisel zu gesellen.

    »Wer war das?«, fragte Edith, die ihnen neugierig hinterhersah.
    »Der Verleger Waldegg. Er, sein Bruder und seine Frau haben damals geholfen, die Dombaupläne wiederzufinden.«
    »Ah ja, eine verrückte Geschichte war das. Die habe ich auch gehört«, mischte sich Sven ein und legt dann den Finger an die Lippen, denn nun redeten Bürgermeister, Dombaumeister und Erzbischof, was leider durch einen kurzen Schauer gestört wurde.
    Als sie später gemeinsam durch die festlich geschmückte Stadt flanierten, freute Leonie sich darüber, ihren Besuchern doch schon eine ganze Reihe Bekannter vorstellen zu können. Benningsen, in Begleitung einer höchst modischen jungen Dame, begrüßte sie herzlich, die junge Dame weniger herzlich und mit einem neidvollen Blick auf ihr Kleid, Lüning mit Frau sehr unterwürfig, Danwitzens jovial und Jacobs überaus herzlich. Leonie musste Sven allerdings einen kleinen Rippenstoß versetzen, denn er konnte seine Augen nicht von Camilla wenden.
    »Was für eine hinreißende Dame, Leonie.«
    »Ja, sie ist nicht nur schön und elegant, sondern auch sehr liebens- würdig.«
    »Und ihre Bewegungen sind von vollendeter Anmut. Weißt du, woher sie stammt?«
    »Sie spricht nicht viel davon. Jemand hat mal gesagt, sie sei Hofdame beim Vizekönig Mehemet Ali gewesen.«
    »Ich würde sagen, sie ist eine Tänzerin, wenn ich je eine gesehen habe.«
    »Sven! Sie ist eine Dame!«
    »Im Orient, meine Liebe, muss sich das nicht ausschließen. Dort tanzen die Frauen in ihren Gemächern füreinander, und es heißt, sie geben ihre Kenntnisse schon den Kindern weiter. Daher ist ihnen diese Grazie zu eigen.«
    »Nun, ich sah einmal ein Bild einer mit blinkenden Münzen geschmückten, recht freizügig gekleideten Frau, die vor Männern tanzte.«
    »Das gibt es auch, die Gawazeeh oder Ouled Nail tun das öffentlich. Und doch sind es keine verachteten Frauen, es hat bei ihnen Tradition.«
    »Du wirst mir bestimmt noch etwas mehr davon erzählen, wenn
wir zu Hause sind. Wir sollten uns nämlich tunlichst beeilen, ich fürchte, der nächste Schauer wird gleich herunterkommen.«
     
    Sie schafften es vor dem heftigen Regenguss, und als Leonie in den Wintergarten trat, entdeckte sie Ursel und Lennard, die eifrig in ihrem Ägyptenbuch schmökerten.
    »Lernt ihr jetzt schon die Hieroglyphen auswendig?«
    »Nein, gnädige Frau, aber es ist so interessant, das mit den Pyramiden und so!«
    Lennards Augen leuchteten, und spontan rief Leonie ihrem Onkel zu: »Sven, ich hätte hier zwei Zuhörer für deine Geschichten aus dem Morgenland. Wollt ihr nicht gemeinsam eine

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