Die Ungehorsame Historischer Roman
strengen Verweis, den Mansel ihm erteilt hatte, waren seine Leistungen wieder besser geworden, auch wenn er hin und wieder mit übernächtigtem Blick auftauchte. Aber drei kleine Kinder in einer kleinen Wohnung gewährleisteten wohl nicht immer einen ungestörten Schlaf. Doch hatte Hendryk immer noch den Verdacht, dass der Mann irgendwelche Mittel nahm. An manchen Tagen verströmten seine Kleider den seltsam süßen Duft von Weihrauch - und Opium.
1838: Hendryks Tod
DES LEBENS MAI BLÜHT EINMAL UND NICHT WIEDER,
MIR HAT ER ABGEBLÜHT.
Schiller: Resignation
Es war schon eine miese Kaschemme, in der er ein Zimmer gefunden hatte. Aber wenigstens fragte hier keiner nach ihm. Der trottelige Junge brachte ihm, wenn er genügend Bakschisch erhielt, irgendein schmieriges Essen und derben Rotwein, und er sorgte auch dafür, dass die Pfeife immer mit den kleinen, klebrigen Kügelchen bestückt wurde, die ihm als Einzige das Leben erleichterten. Diese verdammten Wunden wollten nicht heilen. Aber wie sollten sie auch, in diesem Klima?
Ungemütlich rückte er sich auf der durchgelegenen Matratze zurecht. Die Laken stanken, Eiter, Schweiß und Urin tränkten sie inzwischen. Die schwarz schillernden Fliegen umsummten ihn unablässig, als sei er schon zum Kadaver geworden.
Draußen in der Hitze erhob ein Esel seinen klagenden Protest, und eine Männerstimme schimpfte unflätig vor sich hin.
Den Göttern sei Dank, dass es Opium gab.
Der Schlauch der Wasserpfeife ringelte sich wie eine schwarze Schlange das Bett hoch, und manchmal in seinem Dahindämmern schreckte er auf und glaubte wahrhaftig, von Vipern bedroht zu werden.
Er machte sich wenig Illusionen. Seit er nach dem Fall von Constantine notdürftig verarztet worden war - Himmel, er hatte tatsächlich ein Auge verloren -, war es weiter und weiter mit ihm bergab gegangen. Die Legion konnte ihn nicht mehr gebrauchen, und man hatte ihm seine Papiere ausgehändigt. Papiere, die auf den Namen Hendryk Mansel lauteten. Eine lächerliche Summe hatte man ihm verabfolgt und ihn dann mit einem Tritt in den Arsch auf die Straße befördert, sowie er seine Knochen wieder selbstständig bewegen konnte.
Weit kam er damit nicht. Noch immer hing er hier in Algier herum,
die Hoffnung, ein Schiff zu finden, das ihn über das Mittelmeer brächte, hatte er aufgegeben. Nur manchmal noch hatte er wirre Träume von einem nebligen, kühlen Land. Seltsam, noch nie zuvor hatte er sich nach England zurückgesehnt. Jetzt, da es unerreichbar war, schmerzte ihn die Erinnerung daran.
Aber er würde hier verrecken, in dieser elenden Spelunke, und sein letzter Blick würde den Fliegenschissen an der Decke gelten.
Hoffentlich war es bald so weit.
Boudoir-Geschichten
EIN GROSSES RESSORT IM WEIBLICHEN CHARAKTER
IST DIE NEUGIER.
Freiherr von Knigge: Über den Umgang mit Frauenzimmern
Während ihr Gatte noch in Bonn weilte, entschloss sich Leonie zu einem Akt des Ungehorsams. Nicht ohne einen leichten Gewissensbiss allerdings. Aber die Neugier besiegte den guten Vorsatz, ihrem Gatten zu folgen und nicht mehr an den okkulten Sitzungen bei Sonia von Danwitz teilzunehmen. Es war bei Weitem unterhaltsamer als die Teenachmittage mit oberflächlichem Geplauder über die neuesten Moden, die gängigen Theateraufführungen oder den Gesellschaftsklatsch.
Außerdem würde sie den Rittmeister von Crausen dort antreffen, ein Mann, der sie auf unerklärliche Weise anzog. Natürlich würde sie sich nicht zu irgendeiner Unziemlichkeit verleiten lassen, nein. Er war ein viel zu großer Anbeter Camillas, um ihr auch nur im Entferntesten näher zu treten. Aber er beherrschte die Kunst des Flirtens meisterlich, und das genoss sie. Denn weder ihr Gatte noch Leutnant von Benningsen neigten zu diesen pikanten Tändeleien.
In Sonias Salon hatten sich schon einige Herrschaften versammelt, sehr zu Leonies Missvergnügen auch die Generalin von Lundt und ihr Dackel von Sohn. Sie wechselte nur einige belanglose Worte mit ihnen und gesellte sich zu dem Rittmeister und der Gastgeberin, die verkündete, sie wolle später die Karten für ihre Gäste befragen. Man möge sich schon einmal entsprechende Fragen ausdenken, die man ihr, der Künderin des Schicksals, zu stellen wünschte.
»Nun, meine liebe Frau Mansel, was wird Sie wohl bewegen?«, fragte der Rittmeister, nachdem er ihr gewandt die Hand geküsst hatte. »Schönheit und eine gute Schneiderin sind Ihnen ja schon gegeben.«
»Schmeichler!«
»Aber nein,
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