Die Ungehorsame Historischer Roman
wie ihr mit leichtem Amüsement einfiel. Ihr Zöfchen hatte, ganz wie es ihrem beratenden Stand gebührte, darauf hingewiesen, sie hielte Sonia von Danwitz für eine unschickliche Person. Befragt, wie sie zu dem Urteil kam, hatte sie gemurmelt, die Wäscherinnen hätten Entsprechendes erwähnt. Und nun bestätigte unwissentlich auch Camilla diese Feststellung.
»Ein kluger Mann, Ihr Gatte. Aber Sonias Zirkel übt naturgemäß einen aparten Reiz aus. Wollte sie heute wieder die Geister rufen?«
»Nein, sie sprach davon, aus den Karten zu lesen.«
»Eine Kunst, der des Mokkakochens nicht unähnlich. Und so, wie man auch diese im trauten Kreis pflegt, sollte man es auch mit den Weisungen des Tarot halten.«
»Ja, mir wäre es auch unangenehm gewesen, wirklich persönliche Fragen in dieser Runde zu stellen.«
»Aber Antworten suchen Sie, Leonie?«
Ja, gestand sie sich, Antworten suchte sie. Fragend hob sie die Augen. »Natürlich. Ich kann es, und ich tue es, und sowohl was der Suchende mir anvertraut als auch die Antworten, die gegeben werden, bleiben in diesem Raum.«
»Es … es ist eine schändliche Wissbegier, die mich treibt.«
»Sicher. Es ist immer schändlich, die Geheimnisse anderer erraten zu wollen. Manchmal ist es leider auch unumgänglich, und in einigen Fällen kann es sogar lebenswichtig sein.«
Aus einer Vitrine nahm Camilla ein in Seide gewickeltes Päck- chen und entfaltete es. Ein Stapel Karten kam zum Vorschein. Mit ih- ren ungemein beweglichen, anmutigen Händen mischte sie es.
»Was muss ich tun, damit mein Gatte Vertrauen zu mir fasst, Camilla?«
Die Ägypterin legte die Karten nieder, ohne sie aufzuschlagen.
»Ist Ihnen das wichtig?«
»Sehr. Es gibt … Unstimmigkeiten zwischen dem, was er sagt, und dem, was er zu sein scheint.«
»Ich bin Herrn Mansel noch nie begegnet. Jacobs kennt ihn und hält ihn für einen fähigen Geodäten und einen umgänglichen Mann von ausgezeichnetem Benehmen. Sie aber denken, er trägt ein Geheimnis mit sich herum?«
»Eines, das seinen Ursprung im Orient hat. Sie sind ihm nicht zufällig einmal dort begegnet?«
»Einem Mann mit diesem Namen nicht, nein. Ich habe einige Europäer kennengelernt. Einen englischen Dichter - ich fürchte jedoch, keinen erfolgreichen -und einen erheblich erfolgreicheren Altertumsforscher, den von Mehemet Ali beauftragten Expeditionsleiter Russegger natürlich und seinen Botaniker Theodor Kotschy, den Rittmeister und die beiden Mineralogen, die ihn auf der Expedition begleiteten. Später besuchte Fürst Pückler den Hof und natürlich Jacobs. Mit diesen Herren hatte er nichts zu tun?«
»Er war in Algier, in der Fremdenlegion.«
»Niemals.«
»Bitte?«
»Oder er müsste schon ein ausgesucht schwarzes Schaf einer sehr vornehmen Familie sein.«
»Erläutern Sie mir das.«
»Die Legion ist eine Truppe von Verbrechern und Gescheiterten, Männern, die sich dem Arm des Gesetzes entziehen wollen, die ohne Halt und Moral jedem dienen, der ihnen ein Gewehr in die Hand drückt. Einen Söldner dieser Art würde Jacobs sicher nicht als Herrn bezeichnen.«
»Genau diese Diskrepanz ist mir selbst auch schon aufgefallen. Aber - ach, lassen wir es auf sich beruhen, Camilla. Ich schäme mich eigentlich, in seinem Privatleben herumzuschnüffeln.« Und dass sie sich nur mit Mühe hatte zurückhalten können, in die umfänglichen Briefe Einblick zu nehmen, die er hin und wieder aus dem Ausland erhielt und nach deren Lektüre er meist eine schlechte Laune mühsam zu unterdrücken pflegte.
»Weil Sie gleichfalls nicht wünschen, dass er es in Ihrem tut!«
Leonie zuckte zusammen.
»Leonie, Sie sind so schwer nicht zu durchschauen. Uns verbindet mehr, als Sie denken. Auch ich bin aus ganz anderen Gründen als der reinen Liebe die Ehe eingegangen, und auch ich bemühe mich, mit Diskretion und Zurückhaltung eine für beide Seiten zufriedenstellende Form aufrechtzuerhalten. Aber einen Rat gebe ich Ihnen dennoch - auch ohne Karten: Halten Sie sich von dem Rittmeister fern. Er ist ein gefährlicher Flirt und dient nicht Ihren Zielen.«
»Aber er benimmt sich mir gegenüber wie ein tadelloser Herr.«
»Es war nur ein freundschaftlicher Rat. Und nun zeige ich Ihnen ein Geheimnis ganz anderer Art, das vielleicht weitaus mehr Ihren Absichten entgegenkommt. Begleiten Sie mich in mein Boudoir.«
Mit einem Töpfchen Lippenpomade und einem Schächtelchen Wimpernfarbe samt einem Bürstchen zum Auftragen in ihrem Retikül verabschiedete
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