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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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um die Fesseln zusammengefasst waren, goldene, bestickte Schuhe, deren Spitzen sich schnabelförmig aufbogen. Eine Art knielange, tief ausgeschnittene gelbe Jacke schmiegte sich eng um die schlanke Gestalt, ein dünnes weißes Hemd schaute im Ausschnitt und unter den Ärmeln hervor. Auf dem Kopf aber saß eine ebenfalls reich bestickte Kappe, von der ein Schleier herabhing, der Gesicht und Hals völlig verdeckte, nicht aber die langen, schwarzen Haare, die ihr über den Rücken wallten.
    Eine Trommel wurde geschlagen. Zuerst wusste er nicht, woher der sanfte, lockende Rhythmus stammte, aber dann entdeckte er die vollkommen in Schwarz gehüllte, tief verschleierte Figur nahe der Tür, die das Instrument spielte.
    Lennard hatte wenig Erfahrung mit Tanz, das Einzige, was er dazu je zu sehen bekommen hatte, waren die ausgelassenen Hüpfereien, die an Karneval in den Straßen stattfanden. Nichtsdestotrotz hielten ihn die schlangenförmigen Bewegungen der Verschleierten in einem atemlosen Bann gefangen, genau wie die tierköpfigen Gestalten, die jetzt in einem Kreis um das Löwenfell herumsaßen. Er vergaß alles, auch jede Vorsicht, und schob den Vorhang höher und höher, um zusehen zu können.
    Mit einem rasenden, ekstatischen Trommelwirbel brach die Vorstellung ab, und die Tänzerin ließ sich anmutig auf dem Fell nieder.
    »Die Stunde der Weisung ist gekommen!«, erklärte sie mit sanfter
Stimme und hob beschwörend die Hände. »Die Macht gebührt den Göttern, und wer sie anruft, muss sie beherrschen. Darum hütet euch vor der Macht.« Sie machte eine wunderbar flatternde Bewegung mit den Händen und zeigte auf den Widderköpfigen. »Hüte dich, Fra Chnum, vor der Macht. Hüte dich, denn sie zerfrisst die Seele des Menschen. Hüte dich, Fra Chnum, denn die heilige Schlange wird dein Schicksal besiegeln, und mit der kalten Faust der Toten wird sie dich lähmen und in ihr eigenes Reich ziehen!«
    Lennard schauerte, denn obgleich die Stimme mild und weich klang, lag eine ihm unverständliche Drohung darin. Sanft wiegte sich die Verschleierte vor und zurück, summte leise vor sich hin und drehte sich dann zu der Katzenköpfigen.
    »Wenn die Träume wahrer als die Wirklichkeit werden, Sor Sechmet, werden sie dich verschlingen, wenn die Wirklichkeit wahrer als die Träume wird, wird die Trauer groß.«
    Wieder schwankte sie leicht hin und her, dann flüsterte sie: »Der Hund folgt seiner Herrin, und doch wird er sie in einen Abgrund treiben.« Dann aber schien sie ihre Augen direkt auf Lennard zu richten und mahnte mit seidenweicher Stimme: »Wer dem Dunkel zu nahe kommt, muss fliehen. Jetzt!«
    Das letzte Wort, scharf und laut, traf ihn wie eine Ohrfeige. Sofort ließ er den Vorhang fallen, packte die Laterne und stolperte in atemloser Hast davon. Wenn er eines erkannt hatte, dann war das die Warnung der Frau. Tatsächlich hatte er sich viel zu weit in den Raum hineingewagt, und es war nur ihr zu verdanken, dass alle anderen sich auf sie konzentriert hatten und sein Eindringen nicht bemerkten.
    Heilfroh, den betäubenden Rauchschwaden entkommen zu sein, hockte sich Lennard schnaufend am Ausgang des Bierkellers nieder und wartete, bis sein Atem sich wieder beruhigt hatte.
    Immerhin würde er Ursel viel zu erzählen haben.
    Denn die Katzenköpfige hatte er nun auch erkannt!

Bonner Impressionen
    SUCHEN WIR ABER VERSTÄNDIGE MENSCHEN, DEREN HAUPT-
GRUNDSÄTZE MIT DEN UNSRIGEN ÜBEREINSTIMMEN, KLEINE
UNMERKLICHE VERSCHIEDENHEITEN ABGERECHNET … NUN,
SO FINDEN WIR DEREN GEWISS - VIELE? NEIN! DAS SAGE ICH NICHT,
ABER DOCH WOHL EIN PAAR FÜR JEDEN BIEDERMANN - UND WAS
BRAUCHT MAN MEHR IN DIESER WELT.
    Freiherr von Knigge: Über den Umgang unter Freunden
     
     
    Hendryk Mansel war an diesem Montag, den fünften Dezember, dringend nach Bonn beordert worden, um an der Besprechung im Büro der Bonn-Kölner Eisenbahngesellschaft teilzunehmen. Denn endlich hatte der preußische König geruht, die Entscheidung zu treffen, wo denn nun der Bahnhof in Bonn gebaut werden sollte. Auf dem Mühlheimer Feld, am Ende der Poppelsdorfer Allee. Also war er in Begleitung seines Sekretärs Lüning am Nachmittag eingetroffen, um über die konkreten Maßnahmen zu beraten, die nun ergriffen werden konnten.
    Die Gespräche dauerten lange und würden sich auch noch über die nächsten Tage erstrecken. Wie üblich hatte er für sich und Lüning in einem Gasthof Zimmer gemietet, bei seinen Schwiegereltern, die ihm vermutlich die Gastfreundschaft nicht

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