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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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besonders gut bekannt mit den versammelten Herrschaften war, beschränkte er sich vornehmlich darauf, zu beobachten. Seine Schwiegermutter, schwanger, wie er wusste, hatte diesen Zustand unter einem streng geschnürten Mieder verborgen, was möglicherweise für ihre giftige Laune verantwortlich war. Sie kommentierte Leonoras geschmackvolles Kleid recht abfällig, was diese aber mit guter Haltung ignorierte, genau wie ihre ständigen Hinweise auf die ausbleibende Fruchtbarkeit der Familie Mansel. Gutermann schwadronierte über seine erfolgreichen Investitionen und die sozialen Verpflichtungen, denen er und seine Bruderschaft unablässig nachkamen. Da es sich um ein familiäres Fest handelte, durften auch die Kinder daran teilnehmen, und Edith kümmert sich darum, dass sie mit kleinen Spielen beschäftigt waren. Es schienen im Großen und Ganzen wohlerzogene Buben und Mädchen zu sein, einzig Rosalie fiel unter ihnen immer wieder auf. Zunächst hatte sie einen geradezu irren Lachanfall bekommen, als Leonie ihr die kleine Aufziehmaus auf Rädern geschenkt hatte und sie über den Boden sausen ließ. Dann hatte sie das Spielzeugtier an sich genommen und wie ein Kind gewiegt.
    »Du musst es hier aufziehen, Rosalie, dann läuft es wieder!«, hatte Leonora erklärt.
    »Oh ja, aufziehen. Mach das, Leonie!«
    Also hatte sie das Schlüsselchen ein paarmal umgedreht und die Maus laufen lassen. Wieder erfolgte dieses Gelächter, aber als die Feder abgelaufen war, packte das Mädchen das Spielzeug und brachte es zu ihr zurück.
    »Aufziehen, Leonie.«
    »Ich habe dir gezeigt, wie man es macht. Hier, mit dem Schlüssel!«
    Dann hatte sie sich abgewandt und ihre kleine Schwester fürderhin ignoriert. Der schien das aber nichts auszumachen, sie kam stattdessen zu Hendryk und bat mit einem hübschen Lächeln, er möge die Maus aufziehen.

    Es machte ihn ein wenig stutzig, dass sie sich nicht selbst getraute, den Schlüssel zu drehen, immerhin war sie schon zehn oder elf Jahre alt, genau wie die Zwillinge. Aber er tat ihr den Gefallen ein-, zweimal.
    Andere waren weniger gefällig, und irgendwann kam es zu einem kleinen Tumult unter den Kindern, als nämlich ein sechsjähriger Steppke laut rief: »Die Rosalie ist so blöd. Die kann noch nicht mal die Maus aufziehen.«
    Der Junior wurde zur Ordnung gerufen, aber seine etwas ältere Schwester verteidigte ihn trotzig: »Die Rosalie ist wirklich blöd. Die kann noch nicht mal lesen!«
    Tatsächlich fand Hendryk allmählich eine weitere Erklärung für das zurückhaltende Verhalten seiner Gattin Kindern gegenüber.
    »Sie ist nicht besonders klug, die Kleine«, meinte er leise zu Sven, der sich mit einem Punschglas zu ihm gesellt hatte.
    »Nein, sie ist ganz und gar nicht klug, und Elfriede, ihre Stiefmutter, verschließt leider die Augen davor. Sie sieht nur das niedliche Frätzchen und das sonnige Gemüt, das Rosalie ohne Zweifel hat. Aber das Kind bräuchte eine ganz andere Art von Zucht. Mit Ursel und Lennard haben Sie wirklich Glück, Mansel. Das sind intelligente, aufmerksame Kinder. Ich nehme an, sie haben es sogar geschafft, ihre bedrückende Vergangenheit zu überwinden. Werden Sie sie anerkennen?«
    »Wie kommen Sie darauf?« »Hören Sie, ich mag zwar auf einem Auge blind sein, aber das andere erkennt eine Ähnlichkeit, wenn es sie sieht.«
    »Sie sind nicht meine Kinder.«
    »Nein. Aber sie sind verwandt mit Ihnen.«
    »Ich möchte dieses Thema hier nicht diskutieren, Becker.«
    »Ist recht. Oh, um Himmels willen! Elfriede, beende das!«
    Sven fuhr Gutermanns Frau an und wies auf Rosalie, die sich jetzt auf den Schoß ihres Vaters gesetzt hatte und mit ihm zu schmusen begann. Es wirkte in der Tat recht unpassend, denn das Mädchen hatte schon gewisse weibliche Attribute entwickelt. Ihre Stiefmutter zuckte jedoch nur mit den Schultern und flötete: »Ach, lass doch das Elfchen. Es ist doch nur ihr Vater!«
    Edith allerdings ging auf Rosalie zu und zog sie von seinen Knien. Ohne zu maulen, folgte sie ihr artig zu den anderen Kindern.

    Hendryk wandte sich ab und geriet in die Fänge einer gesetzten Dame, die ebenfalls kopfschüttelnd das Geschehen betrachtete.
    »Das ist schon erstaunlich, zwei völlig normale Kinder, und dann dieses Nesthäkchen. Leonora war als kleines Mädchen so wissbegierig und von schneller Auffassungsgabe, sie hat in manchen Dingen sogar ihren Bruder überflügelt.«
    Er hatte Mühe, seine Überraschung zu verbergen.
    »Leonora hat einen Bruder?«
    »Gott,

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