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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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hannöverschen Ufer im Streit, und sie, Madame Melzer,
     habe schon lange darauf gewartet, dass ein echtes Unglück passiere. Ein echtes, betonte sie noch einmal und meinte eines,
     bei dem jemand nachgeholfen hat. Wobei sie nicht sicher ist, ob das womöglich der Vater des Mädchens selbst war.»
    «Das ist stark», rief Jakobsen. Diese Neuigkeit war besser als alles, was er erwartet hatte. «Der alte Hörne ist ein harter
     Brocken, und von dem Ärger mit seiner Tochter weiß jeder. Aber dass der an ihrem Tod schuld seinsoll, ist wirklich stark. Und natürlich blanker Unsinn», fuhr er nach einer kleinen Atempause mit frommem Gesicht fort. «Die
     Melzerin soll aufpassen, was sie redet, sonst landet sie noch am Pranger.»
    «Das sag ich doch», murmelte Titus mit vollem Mund, «die Leute reden nichts als Unsinn.»
    «Titus hat recht.» Rosina bereute schon, dass sie das Geschwätz weitergetragen hatte. «Vergiss, was ich gesagt habe, Jakobsen.
     Erkläre uns lieber, was das für ein Streit zwischen den Lotsen ist.»
    Ganz bestimmt würde Jakobsen nicht vergessen, was er gerade gehört hatte, dennoch ging er auf den Ablenkungsköder ein. «Ach,
     die Lotsen», sagte er und füllte Titus’ Bierkrug nach. «Die haben Ärger untereinander, solange es sie gibt. Es würde mich
     nicht wundern, wenn’s seit Neptuns Zeiten so wär. Früher war es nur der Krach mit den Helgoländern und Fischern, besonders
     den Blankenesern, die ohne Erlaubnis und zu niedrigerem Preis lotsen und den anderen die Pilotagen wegschnappen. Obwohl Schiffer,
     die dumm genug sind, sich auf so was einzulassen, selbst schuld sind. Wer es billiger haben will und einen ungeprüften Piloten
     nimmt, landet oft genug auf einer Sandbank, was noch viel teurer kommt. Vor ein paar Jahren jedenfalls, es mögen sechs oder
     sieben sein, haben die Dänen den Neumühlener und Övelgönner Lotsen eine Königlich Dänische Elblotsgesellschaft verpasst. Zu
     der gehören sechzig geprüfte Lotsen. Was nur neuen Ärger machte, das Lotsgeld wurde verdoppelt, und das wilde Lotsen nahm
     danach natürlich nicht ab, sondern zu. Bei all dem Ärger liefen drei Övelgönner auf die andere Seite über und machten eine
     neue Lotsstation bei Stade auf. Das gab nun erst recht Wirbel, besonders weildie Kaufleute vom Englischen Haus sich so über diese absurde Lotsgelderhöhung ärgerten, dass sie das unterstützt haben. Wahrscheinlich
     haben sie es überhaupt angezettelt. Jedenfalls fahren die englischen Schiffe jetzt fast alle mit den Stader Lotsen. Es heißt,
     ihr königlicher Georg hat dazu Anweisung gegeben.»
    «Ist das denn so schlimm? Jedes Jahr kommen doch Hunderte Schiffe nach Hamburg und Altona.»
    «Das stimmt schon, aber die englischen machen einen besonders großen Teil aus. Das Lotsen ist ganz genau geregelt, Titus.
     Ein bisschen zu genau, sagen manche. Es gibt so viele Bestimmungen, ich kenn mich da auch nicht aus. Hamburg hat seit jeher
     alle Rechte auf der Elbe, wenn die Stader und Glückstädter auch immer versucht haben, ihren Teil abzubekommen. Unsere Seelotsen
     wohnen bei ihrer Station in Cuxhaven, von dort aus fahren sie mit ihren Galioten in die Elbmündung und bis vor Helgoland,
     da müssen alle Schiffe, die die Elbe raufwollen, einen geprüften und amtlich bestellten Lotsen an Bord nehmen. Was natürlich
     den Helgoländern, die selbst lotsen, mächtig stinkt. So oder so, wer meint, er kann auf einen Lotsen verzichten, muss Hamburg
     trotzdem das Lotsgeld zahlen.»
    «Das ist frech», fand Titus. «Warum soll einer bezahlen, was er nicht braucht?»
    «Fast alle Schiffer brauchen einen Lotsen, und zwar einen guten, weil die Elbe voller Sände und das Fahrwasser schmal und
     veränderlich ist. Außerdem müssen nicht nur die Lotsen ihren Lohn bekommen und die Station und die Galioten unterhalten werden,
     auch die Tonnen und Baken kosten, das Auslegen im Frühjahr und das Einholen und Lagern im Winter. Vom Hamburger Hafen bisin die See sind es achtzehn Meilen, da begrenzen hundert Tonnen das Fahrwasser, von einer kann man immer schon die nächste
     sehen. Alle zehn Jahre müssen neue gemacht werden, das Wasser und vor allem die verdammten Seewürmer zerfressen das Holz.
     Die ungeteerten sogar schon nach zwei oder drei Jahren. Außerdem klauen trotz bitterer Strafen ständig irgendwelche Strolche
     die Tonnen, die sind schlimmer als die Seewürmer. Die Tonnen sind aus bestem Holz, und die Ketten und großen Steine, die sie
     an ihrer Position

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