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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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drehend, über die Wiese. «Verzeihung, Madame, ich will ja nicht stören, aber
     da ist ein Wagen, und der Fuhrmann sagt, die Bäume sind für Madame Herrmanns. Aber er ist nicht von Böckmann, er kommt vom
     Hafen und sagt, die Bäume wären von irgendeinem englischen Schiff. So sehen sie auch aus, gar nicht mehr gut, und ich hab
     ihm gesagt,das kann nicht sein, wir kaufen unsere Bäume bei Böckmann. Er will die Dinger aber nicht wieder mitnehmen.»
    Kampe war schon lange Gärtner bei den Herrmanns’. Er hatte für die Pflanzen in dem Garten in Hamm gesorgt, und seit die Herrmanns’
     den neuen in Harvestehude hatten, versorgte er eben hier die Pflanzen, was nicht immer einfach war. Madame Herrmanns hatte
     ihre seltsamen englischen Vorstellungen von einem ordentlichen Garten leider nicht in England gelassen. Aber inzwischen hatte
     er sich daran gewöhnt, auch daran, dass seine Herrschaften hin und wieder Hand in Hand und turtelnd, wie es sich sonst nur
     Täubchen und sehr junge Leute erlaubten, zwischen den Bäumen herumliefen. Er hatte sich sogar daran gewöhnt, dass Madame selbst
     die zarten Finger in die Erde steckte oder die Schere bei den Rosen und dem Spalierobst ansetzte, dass sie ihre Blumen lieber
     durcheinander anstatt in ordentlichen Reihen gesetzt haben wollte. Aber warum lachten sie jetzt?
    «Mach nicht so ein grimmiges Gesicht, Kampe», sagte Claes Herrmanns, doch er sah dabei seine Frau an. «Du hast ja recht, unsere
     Bäume kaufen wir bei Böckmann. Aber diesmal», nun küsste er seine Frau auch noch vergnügt auf die Nase, was Kampe umgehend
     den Kopf senken ließ, und griff nach ihrer schmutzigen Hand, «diesmal kommen sie eben aus Schottland. Wehe dir, wenn sie uns
     eingehen. Steht der Wagen im Hof?»
    Kampe nickte. «Vier Bäume. Zwei sehen aus wie Tannen, nur anders, und alle schon ziemlich groß. Ich glaub nicht, dass die
     noch anwachsen. Tannen gehören sowieso nicht hierher, und so groß, wie die sind – im November wär’s noch gegangen, aber jetzt?
     Ich glaub nicht, dass somickrige Dinger gleichzeitig anwachsen und Blätter treiben können.»
    Er drückte seine Mütze auf den Kopf und folgte den Herrmanns’, die schon zum Hof eilten, Madame Herrmanns immer einen halben
     Schritt voraus, um die neuen Bäume zu begutachten.
    Christians Auskünfte waren richtig gewesen. Die eine der beiden Hemlocktannen war zwar ein bisschen struppig, aber ihre Nadeln
     zeigten doch ein sattes Grün, vor allem trugen die ausladenden Zweige noch Nadeln. Die zweite konnte damit nicht mehr aufwarten.
     Sie war nichts als ein armseliges braunes Gerippe von Zweigen, die aussahen, als wären fünf mit Blei und Kupfer gefüllte Fässer
     über sie hinweggerollt. Die beiden Scharlacheichen schienen unversehrt, auch die Wurzelballen, fest in Sackleinen eingenäht
     und prall von Erde und Feuchtigkeit, ließen auf bestes Wachstum hoffen.
    Während sich die beiden Fuhrleute, Kampe und sein Gehilfe mühten, die kuriose Fracht abzuladen und zu den Stellen nahe dem
     Fahrweg zu bringen, die für sie vorgesehen waren, ließ sich Claes Herrmanns durch den Garten und über die nasse Wiese zum
     Ufer führen, bückte er sich brav über wippende Schneeglöckchen und die ersten kurzstängeligen Primeln. Er sagte wohlwollend
     «Aha» und «Wirklich bezaubernd» und ergriff die erste Gelegenheit, endlich von seinem Besuch im Hafen zu berichten, in dem
     die Liegeplätze selbst an den Duckdalben schon knapp wurden.
    Es war Jahr für Jahr das Gleiche, und Jahr für Jahr erstaunte ihn aufs Neue, welche Veränderung es bedeutete, wenn der Hafen
     endlich wieder frei war. In manchen Wintern ruhte die Schifffahrt niemals ganz oder nur für wenigeWochen. In Jahren wie diesem jedoch, in denen Eis und Nebel die Elbe für Monate blockierten, war es besonders deutlich zu
     fühlen. Wenn die Schiffe endlich wieder ausliefen nach England, Frankreich und Spanien, nach Portugal, von dort weiter bis
     an die afrikanische Küste oder über die Ozeane nach den Kolonien, wenn andere in langsamer Fahrt im schmalen Fahrwasser zwischen
     dem nördlichen Ufer und den Inseln die Elbe heraufkamen, die Bäuche voller Waren aus aller Welt, erwachte nicht nur das Leben
     am Wasser und in den Kontoren und Speichern neu. Alle Menschen schienen plötzlich neue Kraft auszustrahlen, als seien sie
     von einem langen Schlaf erwacht und erfrischt, wieder voller Tatendrang und Freude.
    Aber, so dachte er nun, genauso sei es ja auch. Wenn der Hafen

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