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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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festem Wollstoff und die vom Fett ganz satten Stiefel in ihrem Beutel, den Laden verließ, stand
     er auf der Schwelle und lobte seine exquisite Waren hinter ihr her.
    Zwei Glockenschläge später wusste die halbe Stadt, in welcher Garderobe die Mademoiselle auf das väterliche Schloss heimkehren
     werde. So wie aus dem großen Haus ein Schloss mit Zinnen, Wassergraben und Spiegelsaal geworden war, wurde nun aus der Komödiantin
     eine Comtesse, und der Reichtum ihres Vaters nahm die sagenhaften Ausmaße der Goldminen im südlichen Amerika an. Der Konfitürenhändler
     Rogge wusste gar zu berichten, der väterliche Graf lasse sich ausschließlich von Mohren bedienen, zehn an der Zahl, und die
     Sitze seiner Lieblingskutsche seien winters mit russischem Zobel, sommers mit französischer Seide gepolstert. Auch bade er
     jede Woche und versetze das Wasser mit dem Öl orientalischer Rosen.
    Auch von diesen Nachrichten wusste Rosina nichts, was schade war, denn es hätte sie sehr amüsiert. Sie band ihren schweren
     Beutel wie eine Kiepe auf den Rücken und wanderte durch die Stadt hinab zur Elbe. Der Himmel war wieder grau, der Wind drückte
     Kälte in die engen Straßen. Die Menschen verbargen sich unter dicken Joppen und wollenen Tüchern. Der Duft der erwachenden
     Erde und der Gesang der aus dem Süden zurückkehrenden Vögel bewiesen dennoch, dass der Winter endgültig vorbei war. Gab es
     eine bessere Zeit für eine lange Reise als diese? Selbst wenn es auf den Höhen noch eisig war, würden sie dem Sommer mit seinen
     immer längeren und wärmeren Tagen entgegenreisen. Die Wiesen würden Tag um Tag saftiger und bunter werden,vielleicht blühten schon die Kirschbäume, wenn sie ihr Ziel erreichten.
    Mit dem auflaufenden Wasser waren wieder Schiffe eingelaufen, die Flut hatte ihren höchsten Stand erreicht. Bei den Vorsetzen
     hinter dem Packhaus der königlich dänischen Heringskompanie schaukelten sanft die Masten zweier großer Ewer über den Köpfen
     einer Menschenmenge. Frauen mit Körben voller frischer Fische, Hummer und Krabben kamen ihr entgegen. Es würde lange dauern,
     bevor sie wieder frischen Seefisch zu essen bekam, also mischte sie sich unter die Menschen und wartete, Schritt um Schritt
     vorrückend, bis sie an der Reihe war.
    Später wusste niemand mehr zu sagen, wie es geschehen war. Der Hund war schuld, sagten einige, dieser spindeldürre Köter,
     der plötzlich die Elbstraße heruntergetobt kam, einer rot-weiß gescheckten Katze immer dicht auf den Fersen. Die Katze war
     schuld, sagten andere. Anstatt auf einem Baum oder Schuppendach suchte sie Schutz in der Menge, glitt geschmeidig und flink
     wie eine Schlange zwischen Röcken und Beinen hindurch, und ihr Verfolger blieb kläffend auf ihrer Spur. Lachend und fluchend
     stob die Menge auseinander. Körbe fielen um, Kinder kreischten und stolperten, dann hörte man einen Schrei, ein Klatschen,
     Wasser spritzte auf, und eine junge Frau, die gewiss nur zu nahe am Rand gestanden hatte, versank, von einer Last auf ihrem
     Rücken hinuntergezogen, im eiskalten Wasser.
    Jemand schrie nach einem Seil, ein anderer nach einer Leiter, alles drängte sich an den Vorsetzen, starrte auf das Wasser,
     auf die schwimmenden Röcke, auf den Kopf, der auftauchte und wieder versank, auf die wild rudernden Arme.
    «Sie treibt ab», rief jemand, «so tut doch etwas.»
    Wieder klatschte es, und auch Berno, der jüngste Sohn des Korbflechters Steuer, von dem niemand je eine große Tat erwartet
     hatte, lag im Wasser. Ein Raunen der Bestürzung ging durch die Menge, jeder wusste, dass es Unglück bringt, einem Ertrinkenden
     zu helfen. Nur Berno kümmerte das nicht. Mit wenigen Zügen erreichte er die Ertrinkende, griff nach ihren Röcken, fand ihren
     Kopf und hielt ihn über das Wasser. Ein Seil fiel von einem der Ewer in die Flut.
    «Pack an, Junge», brüllte der Fischer, «pack an.»
    Berno hatte Glück. Blind griff er nach dem Seil, erwischte es gleich, und die Fischer zogen den Jungen und die Frau an ihre
     Bordwand. Noch einer sprang ins Wasser, dem erschöpften Retter zu helfen, und gleich darauf waren alle über die Bordwand gezogen
     und in Sicherheit. Die junge Frau, einen Beutel fest auf ihrem Rücken verknotet, lag mit geschlossenen Augen auf den Planken.
    «Sie atmet noch», sagte der Fischer, «sieht jedenfalls so aus.» Er drehte sie auf den Bauch und drückte fest auf ihre Lungen.
     Während Wasser aus ihrem Mund rann, stand die Menge am Ufer und

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