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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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sobald
     ihn eine seiner Fahrten nach Lissabon führt. Dieses Ende habe ich nicht gewollt, ich habe nicht im Traum daran gedacht. Doch
     nun ist es, wie es ist, und du solltest endlich begreifen, dass Sophie nichts Besseres geschehen konnte.»
    Damit verließ auch sie den Salon, ließ einen sprachlosen, zornbleichen Claes zurück, schob Christian und Tante Augusta beiseite,
     die nicht minder bleich, wenn auch nicht aus Zorn, hinter der Tür standen, und stieg die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf.
    Sie wartete lange vergeblich. Als es schließlich doch noch an ihre Tür klopfte, war es Augusta. Aber an diesem Abend halfen
     auch deren kluge Worte und ihr Rosmarinbranntwein nicht. Zum ersten Mal bereitete Anne sich ein Bett auf dem Diwan in ihrem
     Salon. Sie hoffte, diese Nacht werde nie enden.
    Noch lange knarrten die Dielen des Hauses unter unruhigen Schritten und zeugten von schlaflosen Nächten. Nur Sophie lag in
     dem Bett ihrer Mädchenzeit, schlief tief und ruhig und träumte von einem großen Schiff mit geblähten Segeln, das über die
     blaue See bis hinter den Horizont flog, dorthin, wo in allen guten Träumen das himmlische Leben auf Erden beginnt.
    MITTWOCH, DEN 15.   MARTIUS,
VORMITTAGS
    Die Nachricht von der wundersamen Verwandlung einer fahrenden Komödiantin in die Tochter eines reichen und zudem vornehmen
     Mannes machte schnell die Runde. Rosina wusste davon nichts, die außerordentliche Höflichkeit des Kleiderhändlers in Süstermans
     Gang schrieb sie einzig seinem freundlichen Naturell zu. Sie hatte ihm gesagt, sie suche solide Kleider für ihren Bruder,
     der eine lange Reise anzutreten habe. Seine Statur gleiche der ihren völlig.
    Sie hatte anderes zu bedenken als die Tiefe der Verbeugungen des Mannes. Um einen Tag hatte sie Klemens gebeten, und ein Tag
     war schrecklich kurz. Nie war ihr die Zeit so eilig davongelaufen wie in dieser Zeit vor ihrer Heimkehr. Sie selbst sprach
     dieses Wort nie aus, sie sprach von ihrer Reise. Wenn sie es von Helena, Jean, Titus oder einem der anderen Komödianten hörte,
     legte es sich ihr auf die Brust wie ein kalter Stein. Immer wieder sah sie in diesen Tagen in die vertrauten Gesichter, hörte
     sie auf die Stimmen der Menschen, deren Leben sie seit vielen Jahren teilte, und suchte nach Botschaften. Waren sie betrübt?
     Bedeutete Jeans zuweilen schrille Munterkeit nur das Vergnügen an der aufregenden Neuigkeit, oder gefiel ihm womöglich Manon
     in ihren, Rosinas, Rollen besser? War Titus’ grämliche Miene Ausdruck des Kummers oder doch des Unmuts, weil sie die Gesellschaft
     mitten in der besten Saison im Stich lassen musste? Musste sie das überhaupt?
    Von Matti und Lies hatte sie sich schon verabschiedet. Die Umarmung der stets so einsilbigen Lies – hatte siesie je zuvor umarmt? – war ein besserer Trost als tausend Worte. Matti schenkte ihr ein Beutelchen mit Kräutern und Wurzeln
     für einen stärkenden Tee, am Ende des Winters eine Kostbarkeit, und erinnerte sie daran, dass sie in schweren Momenten immer
     gewusst habe, welche Entscheidung die beste sei, das werde auch für die Zukunft gelten.
    Für einen Besuch bei den Herrmanns’ fehlte die Zeit. Muto, der gestern wie so oft Niklas und die Herrmanns’schen Ställe besucht
     hatte, hatte Anne einen Brief gebracht. Rosina hoffte, es werde ihr möglich sein, zu ihrer Abreise nach Altona zu kommen.
     Sicher wäre es einfacher gewesen, auf dem Ritt elbaufwärts bei den Herrmanns für einen kurzen Abschied haltzumachen, der Neue
     Wandrahm lag nahe an ihrem Weg. Aber es schien ihr unmöglich, die Reise zu unterbrechen, kaum dass sie sie angetreten hatte.
    «Eine kluge Wahl, Mademoiselle», säuselte der Kleiderhändler, «dieser Rock ist superb. Man sieht gleich, dass Ihr gute Ware
     gewöhnt seid. Ja, das sieht man gleich. Und diese Stiefel! Wie ich Euch schon sagte, ich habe sie von einem sehr vornehmen
     Herrn übernommen. Sie wurden nur wenige Wochen getragen, seht auf das Leder, satt von gutem Fett. Ganz und gar satt. Da mag
     es regnen und schneien, nie werden darin die zarten Füßchen kalt. Oh», er kicherte und verbarg dabei die breite Zahnlücke
     in seinem Oberkiefer hinter einem schmuddeligen, mit nicht mehr ganz makellosen Spitzen besetzten Tuch, «die Kleider sind
     ja für Euren Bruder. Der Herr Bruder», wieder kicherte er in sein Tuch, «wird mit der Wahl sehr zufrieden sein. Sehr zufrieden.»
    So plapperte er fort und fort, noch als Rosina, einenRock und einen Reitmantel aus

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