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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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ganz unvermittelt. Natürlich, sie war jung damals, sie war schön, jetzt hört sich das merkwürdig an, eine alte Frau nackt auf dem Fußboden in einer Kneipe, aber ich werde es trotzdem sagen, weil wir so immer angefangen haben. Sie wird nichts sagen, und deshalb werde ich noch mehr sagen. ›Ich will, daß sie dich alle anstarren. Du auf allen vieren, auf dem Boden.‹ Aber können Sie sich das vorstellen? Eine schwache alte Frau, die so etwas macht? Was würden unsere betrunkenen Matrosen dazu sagen? Aber die sind vielleicht mit uns alt geworden, unsere Matrosen in der Hafenkneipe, vielleicht wird sie in deren Vorstellung noch genauso sein wie damals, und es wird ihnen nichts ausmachen. ›Ja, sie werden dich anstarren! Sie alle!‹ Und dann berühre ich sie, nur außen an der Hüfte, das weiß ich noch, sie mochte es, wenn ich sie an den Hüften berührte, ich berühre sie genauso wie früher, dann komme ich ganz nah zu ihr und flüstere: ›Ich lasse dich in einem Bordell arbeiten. Nacht für Nacht.‹ Können Sie sich das vorstellen? Aber ich sage es trotzdem, denn so ist es immer gewesen. Und ich werde die Bettdecke wegziehen und mich über sie beugen, ich bringe sie dazu, ihre Schenkel zu öffnen, vielleicht gibt es so ein Knacken, das Gelenk zwischen Hüfte und Schenkel gibt womöglich dieses Knacken von sich, es hat einmal jemand erzählt, daß sie sich die Hüfte verletzt hat, vielleicht kann sie ihre Schenkel jetzt nicht mehr so weit öffnen. Na ja, wir machen es eben, so gut es geht, denn das ist immer als nächstes gekommen. Dann beuge ich mich noch weiter hinunter, um sie zwischen den Beinen zu küssen, ich erwarte nicht, daß sie genauso riecht wie damals, nein, das habe ich mir alles überlegt, sie riecht womöglich schlecht, nach verdorbenem Fisch, ihr ganzer Körper riecht vielleicht schlecht, ich habe lange darüber nachgedacht. Und ich, und mein Körper, sehen Sie mich doch jetzt an, so einwandfrei ist das alles auch nicht mehr. Meine Haut zum Beispiel, da sind diese Schuppen, dauernd lösen sich diese Flocken, ich weiß nicht, was das ist. Als das letztes Jahr angefangen hat, war es nur die Kopfhaut. Wenn ich die Haare gekämmt habe, kamen diese riesigen Flocken herunter, wie Fischschuppen, man konnte hindurchgucken. Anfangs war es nur die Kopfhaut, aber jetzt ist es überall, an den Ellenbogen, den Knien, auf der Brust. Sie riechen auch nach Fisch, diese Flocken. Na ja, sie bilden sich ständig, ich werde das nicht aufhalten können, sie wird sich damit abfinden müssen, deswegen werde ich mich auch nicht über den Geruch zwischen ihren Beinen beschweren oder darüber, daß sie die Schenkel nicht mehr ohne Knacken auseinanderbekommt, ich werde nicht wütend werden, Sie werden nicht erleben, daß ich sie mit Gewalt öffne wie irgendeinen defekten Gegenstand, nein, nein. Wir werden es genauso machen wie früher. Und mein alter Schwanz, vielleicht nur halbsteif – wenn die Zeit kommt, wird sie nach unten fassen, und sie wird flüstern: ›Ja, ich lasse sie! Ich lasse all die Matrosen mich anschauen! Ich reize sie, bis sie es nicht länger aushalten!‹ Können Sie sich das vorstellen? So wie sie jetzt ist? Aber das wird uns egal sein. Und überhaupt, wie ich ja schon sagte, vielleicht sind ja die Matrosen mit uns alt geworden. Sie wird nach unten fassen, nach meinem alten Schwanz, früher wäre er sehr steif gewesen, nichts in der Welt hätte ihn schlaff werden lassen, außer... na ja, aber jetzt wird er vielleicht nur halbsteif sein, besser habe ich es neulich nachts auch nicht hingekriegt, wer weiß, vielleicht wird er ja auch ganz stehen, und dann versuchen wir, ihn reinzustecken, aber sie ist dann vielleicht wie eine Muschel, aber versuchen werden wir es. Und genau im richtigen Moment, wir werden dann schon wissen, wann, selbst wenn sich da unten nichts tut, werden wir wissen, welches die letzten Schritte sind, denn zu dem Zeitpunkt werden wir uns so gut erinnert haben, daß nichts uns mehr aufhalten kann, selbst wenn sich da unten nichts tut, selbst wenn wir uns nur dicht aneinandergepreßt festhalten, das macht dann auch nichts, wir werden es trotzdem genau im richtigen Moment sagen. ›Sie nehmen dich! Sie nehmen dich, du hast sie zu lange gereizt!‹ Und sie wird sagen: ›Ja, sie sollen mich haben, all die Matrosen, sie sollen mich haben!‹ Und selbst wenn sich da unten nichts tut, können wir uns ja immer noch festhalten, wir halten uns fest und sagen, was wir früher gesagt haben,

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