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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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werden wie früher. Sechsmal, das ist es, sechsmal, und dann werden wir uns wieder an alles erinnern, das ist alles, was ich will. Und danach – na schön dann, na schön. Wenn jemand, wenn ein Arzt, mein Gott, mir sagen würde, Sie können nur noch sechsmal mit ihr schlafen, und das ist es dann, Sie sind zu alt, Ihre Verwundung wird Ihnen zu große Schmerzen bereiten, danach ist dann Schluß, dann funktioniert es nur noch auf der Toilette, das würde mir dann nichts ausmachen. Dann sage ich, na schön, mir soll es recht sein. Solange ich sie nur wieder in die Arme nehmen kann, reichen sechsmal, dann wird es nämlich wieder so sein wie früher, wir werden wieder da sein, wo wir früher waren, und dann macht mir das nichts aus, danach macht mir das dann nichts mehr aus. Überhaupt werden wir dann ja unser Haustier haben. Wir müssen nicht mehr miteinander schlafen. Das ist nur etwas für junge Liebende, die sich noch nicht gut genug kennen, die sich nie gehaßt und dann wieder geliebt haben. Wissen Sie, ich kann es immer noch. Ich habe es versucht, ganz allein, vorgestern nacht. Nicht bis zum Ende, aber ich habe ihn hochgekriegt.«
    Er schwieg und nickte mir mit ernstem Gesichtsausdruck zu.
    »Tatsächlich«, sagte ich lächelnd. »Das ist ja wunderbar.«
    Brodsky lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schaute wieder aus dem Fenster. Dann sagte er: »Es war anders, nicht mehr wie in jungen Jahren. Wenn man jung ist, denkt man an Huren, wissen Sie, Huren, die schmutzige Sachen, lauter so Zeug machen. So etwas ist mir jetzt ziemlich egal, es gibt nur noch eines, was mein Schwanz tun soll, ich will mit ihr schlafen genau wie früher, da weitermachen, wo wir damals aufgehört haben, das ist alles. Wenn er dann seine Ruhe will, ist es mir auch recht, mehr verlange ich ja gar nicht. Aber ich will es wieder machen, sechsmal, das reicht dann, so wie wir es früher gemacht haben. Als wir jung waren, sind wir kein so tolles Liebespaar gewesen. Wir haben es nicht überall getrieben, wie die jungen Leute das vielleicht heute tun, ich weiß ja nicht. Aber es herrschte, na ja, ein gutes Einvernehmen zwischen uns. Na ja, manchmal, es stimmt schon, als ich noch jung war, bin ich es manchmal leid gewesen, immer auf dieselbe Art. Aber so ist sie eben gewesen, sie war... sie wollte es nie anders, ich war deswegen oft ärgerlich auf sie, und sie wußte nicht, wieso. Aber jetzt will ich es genau auf diese alte Art, alles ganz genauso, in allen Einzelheiten, so wie wir es früher gemacht haben. Vorgestern nacht, als ich, Sie wissen schon, als ich es versucht habe, da habe ich an Huren gedacht, ich habe mir Huren vorgestellt, phantastische Huren, die phantastische Sachen gemacht haben, und nichts, nichts, rein gar nichts. Und, na ja, da habe ich gedacht, das ist nur verständlich. Mein alter Schwanz hat nur noch eine letzte Aufgabe, warum ihn mit all diesen Huren verspotten, was hat das jetzt mit meinem alten Schwanz zu tun? Er hat jetzt nur noch eine letzte Aufgabe, und an die sollte ich jetzt denken. Also habe ich daran gedacht. Ich habe da im Dunkeln gelegen und mich erinnert, mich erinnert und immer weiter erinnert. Ich habe mich daran erinnert, wie wir es früher gemacht haben, an alle Einzelheiten. Und so werden wir es jetzt wieder machen. Natürlich sind unsere Körper jetzt alt, aber ich habe mir das alles überlegt. Wir werden es genauso machen wie früher. Und sie wird sich auch erinnern, sie wird es nicht vergessen haben, kein einziges Detail. Wenn wir erst einmal im Dunkeln sind, unter der Bettdecke, wir sind nie so kühn gewesen, wissen Sie, sie ist es gewesen, sie ist immer so verschämt gewesen, sie wollte es so. Damals hat mir das viel ausgemacht, ich wollte immer zu ihr sagen: ›Wieso kannst du nicht so sein wie eine Hure? Und dich bei Licht zeigen?‹ Aber jetzt macht es mir nichts mehr aus, ich will es genauso machen, wie wir es früher gemacht haben, wir werden so tun, als wollten wir schlafengehen, und ganz ruhig sein, zehn, fünfzehn Minuten. Dann werde ich unvermittelt etwas sagen, etwas Kühnes und Schmutziges im Dunkeln. ›Ich will, daß sie dich nackt sehen‹, werde ich sagen. ›Betrunkene Matrosen in einer Bar. Eine Hafenkneipe, betrunkene, widerliche Kerle, ich will, daß sie dich nackt auf dem Fußboden sehen.‹ Ja, Mr. Ryder, solche Sachen habe ich gesagt, ganz unvermittelt, nachdem wir dagelegen und so getan hatten, als wollten wir schlafen, ja, die Stille unvermittelt durchbrechen, das ist wichtig,

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