Die Ungetroesteten
ganz interessiert an.
»O ja«, sagte ich. »Wir sind gute Freunde geworden, dein Großvater und ich. Ich wohne in seinem Hotel.«
Boris sah mich immer noch aufmerksam an.
»Boris«, sagte Sophie, »warum sagst du nicht richtig nett hallo zu Mr. Ryder? Das ist wirklich sehr schlechtes Benehmen. Du willst doch nicht, daß er abreist und von dir denken muß, daß du ein schlecht erzogener junger Mann bist, oder?«
Boris sah mich noch einen Moment lang an. Dann ließ er sich plötzlich vornüber auf den Tisch fallen und vergrub seinen Kopf in den Armen. Gleichzeitig fing er an, mit den Füßen unter dem Tisch hin und her zu schaukeln; ich hörte das Klacken seiner Schuhe gegen das Metall des Tischbeins.
»Tut mir leid«, sagte Sophie. »Er ist schon den ganzen Tag ziemlich launisch gewesen.«
»Also eigentlich«, sagte ich leise zu ihr, »gibt es etwas, über das ich gern mit Ihnen sprechen würde. Aber, äh...« Ich deutete mit den Augen auf Boris. Sophie sah mich an, dann drehte sie sich zu dem Jungen und sagte:
»Boris, ich muß jetzt mal mit Mr. Ryder reden. Warum gehst du dir nicht die Schwäne angucken? Nur eine Minute.«
Boris blieb mit dem Kopf auf den Armen sitzen, als würde er schlafen, wobei die Füße weiterhin rhythmisch gegen das Tischbein schlugen. Sophie berührte ihn an der Schulter und schüttelte ihn sanft.
»Na komm schon«, sagte sie. »Da ist auch ein schwarzer Schwan. Stell dich da drüben an das Geländer, da, wo die Nonnen sind. Dann siehst du ihn ganz bestimmt. Nach ein paar Minuten kommst du zurück und erzählst uns, was du gesehen hast.«
Ein paar Sekunden lang reagierte Boris überhaupt nicht. Dann richtete er sich auf, seufzte noch einmal gequält und glitt von seinem Stuhl. Aus irgendeinem Grund, den wohl nur er kannte, nahm er das Gehabe eines Volltrunkenen an und entfernte sich schwankend vom Tisch.
Als der Junge weit genug weg war, wandte ich mich wieder Sophie zu. Dann wurde ich plötzlich unsicher, ich wußte nicht, wie ich anfangen sollte, und saß einen Moment lang unschlüssig da. Doch da lächelte Sophie schon und ergriff das Wort:
»Ich habe gute Neuigkeiten. Dieser Herr Mayer hat vorhin wegen des Hauses angerufen. Es wird heute zum erstenmal angeboten. Es klingt wirklich vielversprechend. Ich habe den ganzen Tag schon darüber nachgedacht. Irgendwie habe ich das Gefühl, das könnte es jetzt sein: das Haus, nach dem wir die ganze Zeit gesucht haben. Ich habe ihm gesagt, ich werde gleich morgen früh hingehen und es mir ganz genau ansehen. Wirklich, es scheint perfekt zu sein. Ungefähr eine halbe Stunde Fußweg vom Dorf, das einzige Haus auf einer kleinen Anhöhe, drei Stockwerke. Herr Mayer sagt, der Blick über den Wald ist der schönste, den er seit Jahren gesehen hat. Ich weiß, du hast gerade jetzt sehr viel zu tun, aber wenn es sich herausstellt, daß das Haus auch nur annähernd so schön ist, wie es sich anhört, rufe ich dich an, und vielleicht kannst du mit hinauskommen. Boris auch. Es könnte genau das sein, nach dem wir gesucht haben. Ich weiß, es hat lange gedauert, aber jetzt habe ich es vielleicht endlich gefunden.«
»Ah ja. Schön.«
»Ich nehme gleich morgen früh den ersten Bus und fahre hin. Wir müssen jetzt schnell handeln. Es wird sicher viele Interessenten geben.«
Sie fing an, mir weitere Einzelheiten von dem Haus zu erzählen. Ich schwieg die ganze Zeit, was allerdings nicht allein an meiner Unsicherheit darüber lag, wie ich auf das Ganze reagieren sollte. Denn Tatsache war, daß mir Sophies Gesicht, während wir hier zusammensaßen, langsam, aber sicher immer vertrauter wurde, bis ich schließlich überzeugt war, mich an frühere Gespräche über den Kauf eines solchen Hauses in den Wäldern erinnern zu können. Inzwischen muß mein Gesichtsausdruck wohl etwas Sorgenvolles angenommen haben, denn schließlich brach sie ab und sagte in einem veränderten, etwas vorsichtigen Ton:
»Tut mir leid wegen des Anrufs neulich. Ich hoffe, du bist nicht mehr eingeschnappt deswegen.«
»Eingeschnappt? Natürlich nicht.«
»Es geht mir gar nicht aus dem Kopf. Ich hätte das alles nicht sagen sollen. Ich hoffe, du hast es dir nicht allzusehr zu Herzen genommen. Wie kann man von dir erwarten, daß du ausgerechnet jetzt zu Hause bleibst? Was für ein Zuhause? Und die Küche in so einem Zustand! Und ich habe so lange gebraucht, etwas für uns zu finden. Aber jetzt bin ich ganz zuversichtlich – was das Haus morgen angeht.«
Sie fing wieder an,
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